Wir klagen - Mit RECHT gegen Fluglärm
Pressemitteilung vom 14. Juni 2001
Ein Kreis von 108 Anwohnern, darunter 1/3 Kinder, aus 10 Städten rund um den Flughafen Frankfurt (Main) hat am 16. Mai 2001 beim Hessischen Verkehrsminister die Anordnungen:
- eines generellen Flugverbotes zwischen täglich 22 und 6 Uhr (Nachtflugverbot),
- einer Einschränkung des Flugbetriebs in der Schlafphase der Kinder zwischen 20 und 22 Uhr auf ein Maß, daß die Kinder nicht aufgeweckt werden (Spitzenpegel von Leq (3) 65 dB(A) am Schlafraumfenster) und
- einer Einschränkung des Flugbetriebs auch tagsüber in dem Maß, daß auch längerfristig bei den Anwohnern Gesundheitsgefahren durch Fluglärm auszuschließen sind (Mittelungspegel von LAeq (3) 60 dB(A) am Wohnraumfenster)
gegenüber der FRAPORT AG beantragt. Die 108 Anwohner stützen sich auf neue Lärmmessungen und berechnungen sowie Untersuchungen zu den Gesundheitsrisiken des Fluglärms und fordern von dem Minister eine sorgfältige Sachprüfung, andernfalls drohen sie die Erhebung von Musterklagen noch in diesem Sommer an.
Mit dem Antrag beweisen die Anwohner, daß ihnen schon derzeit ein gesundheitsschädigendes Maß an Fluglärm zugemutet wird, daß es umgehend zu reduzieren gilt und das schon aus dem gebotenen Schutz ihres Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) durch eine angedachte neue Landebahn und die damit bezweckte Kapazitätserhöhung nicht gesteigert werden darf.
Der gemeinnützige Verein "Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm e.V." unterstützt diese rechtliche Initiative von lärmgeplagten Anwohnern durch Rat und Tat. Der 1. Vorsitzende des Vereins, der Offenbacher Rechtsanwalt und Notar Hartmut Wagner, erläutert dies: "Das Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm e.V. wurde von dem Zusammenschluß der über 60 Flughafen-Bürgerinitiativen im Rhein-Main Gebiet gegründet und hat jetzt rund 700 Mitglieder. Das macht uns von der Kommunalpolitik unabhängig und erlaubt uns, aus den regelmäßigen Beiträgen unserer Mitglieder die für einen Erfolg der 108 Antragsteller nötigen Gutachten und Untersuchungen zu finanzieren. Wir begrüssen freilich das Engagement der Städte und Gemeinden, die das gleiche Ziel, nämlich die Belastungen durch den Frankfurter Flughafen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, verfolgen und arbeiten deshalb auch gerne mit ihnen zusammen."
Die 108 Antragsteller stützen ihre drei Forderungen darauf, daß der derzeit in ihre Wohnbereiche eindringende Fluglärm das Maß des noch Gesundheitsverträglichen nachweisbar überschritten habe und die rasant gesteigerte Zahl der Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen durch die letzte luftverkehrsrechtliche Planfeststellung nicht mehr gedeckt sei. Nach der Bewertung von Hartmut Wagner ist daher "der jetzige Betrieb des Flughafens illegal." Das vom Institut eingeholte Rechtsgutachten beweist das Mißverhältnis zwischen der letzten rechtsförmlichen Prognose des Verkehrsministers aus dem Jahr 1971 und dem erreichten unzumutbare Maß an Fluglärm mit nüchternen Zahlen des Flughafenbetreibers:
Flughafen FRA |
Ist-Zustand 1969 |
Verkehrsprognose des Ministeriums
"keine Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung" im Planfeststellungs-beschluß 1971 |
Realität im Jahr 2000 |
PAX |
8 Mio |
30,7 Mio |
49 Mio |
Flugbewegung/h |
40 |
70 |
97 |
Die auf dem Flughafen Frankfurt am Main abgewickelten besonders störenden Nachtflüge haben sich allein zwischen dem Jahr 1985 und dem Jahr 2000 um den Faktor fünf gesteigert:
Jahr |
1985 |
1990 |
1995 |
1999 |
2000 |
2001 |
Nachtflüge |
10.905 |
25.500 |
27.959 |
43.624 |
48.000 |
53.000 |
Die Prognose eines noch gesundheitsverträglichen Flughafenbetriebes wurde um 58 % überzogen. Hartmut Wagner dazu: "Wer in einer Baustelle mit Tempolimit von 100 km/h mit 158 km/h geblitzt wird, bekommt den Führerschein entzogen. Gleiches Recht gilt auch für den Flughafen als Lärmsünder."
Die Anwohner beweisen die Gefährdung ihrer Gesundheit auch durch technische Messungen und Berechnungen des Fluglärms; die 108 Antragsteller wohnen in zehn Städten rund um den Flughafen u.a. in Flörsheim. Mit ihren regelmäßigen Messungen belegt die FRAPORT AG, daß Flörsheim im Vergleich der 10 Städte mit dem geringsten Maß an Fluglärm belastet werde.
Gerade für die Wohngebiete in Flörsheim hat der Lärmsachverständige Dr. Kühner den Fluglärm im Auftrag der Kommune ermittelt; nach der Bewertung des Sachverständigen Dr. Kühner überschreiten in den Wohngebieten von Flörsheim die Höhe der Überflugpegel, deren Dauer, Frequenzstruktur und Anzahl sowohl am Tage als auch in der Nacht "das Maß der Unzumutbarkeit" (Dr. Kühner, Schallimmissionsplan Stadt Försheim, 07/2000, S. 66).
Der für eine erhebliche Belästigung im Sinne des § 3 BImSchG maßgebliche Grenzwert des mittleren Tag-Nacht-Pegels und dessselben Pegels für die 10 lautesten Tage von 53 dB(A) wird an allen fünf Meß- und Berechnungspunkten im Stadtgebiet von Flörsheim durch die Fluglärmimmissionen erheblich überschritten; dabei reichen die Überschreitungen bis zu 10 dB(A). Der für eine erhebliche Belästigung maßgebliche Grenzwert des Nachtpegels von 43 dB(A) wird gleichfalls an allen Meß- und Berechnungspunkten bis zu 11 dB(A) überschritten.
Nach den Auswertungen des Sachverständigen Kühner bewirkt die gegebene Fluglärmbelastung bei gekippten Fenster, daß durchschnittlich jeder vierte Flörsheimer einmal pro Nacht durch einen Überflug aufgeweckt wird; in lauten Nächten wird sogar jeder Dritte aufgeweckt.
Noch deutlicher werden die Schlafstörungen durch den Fluglärm, wenn die mittleren Maximalpegel der nächtlichen Überflüge betrachtet werden; diese liegen zwischen 67,5 und 74,7 dB(A) und überschreiten den von dem Sachverständigen Kühner aus der TA Lärm abgeleiteten Schwellenwert von 60 dB(A) um bis zu 15 dB(A). Die Lärmspitzen der lautesten Überflüge am Tage liegen über 95 dB(A). Für die zur Schule gehenden oder dort unterrichtenden Antragsteller bzw. für die in Flörsheim an anderen Institutionen oder freiberuflich arbeitenden Antragsteller ist als Folge der häufigen Überflüge ihre Kommunikation durchschnittlich 75 Minuten an jedem Arbeitstag durch Fluglärm gestört. Beim Aufenthalt der Antragsteller in ihren Außenwohnbereichen fehlt die Dämmwirkung gekippter Fenster, so daß sich die Kommunikationsstörungen auf mehr als zwei Stunden am Tag summieren (Kühner, Seite 64).
Für Büttelborn, Offenbach und Raunheim nennt die FRAPORT AG eine um 10 dB(A) lautere Fluglärmbelastung, das ist wegen des logarithmischen Maßes eine dreimal so starke Belastung. Dieser Fluglärm bewirkt, daß die Antragsteller, so ihr Anwalt Möller-Meinecke
- während des Überfluges einer Maschine sich nicht mehr weiter unterhalten können, weil sie unverständlich würden,
- abends am Einschlafen gehindert werden;
- nachts durch einzelne Überflugereignisse aus dem Schlaf geweckt werden,
- tagsüber in ihrer Konzentration beim Lesen oder sonstigen Arbeiten erheblich gestört werden und
- unter Erschöpfungsgefühlen, Druckgefühlen, Bluthochdruck und Herz-Kreislaufbeschwerden leiden.
Die 108 Anwohner können die ihnen drohenden Gesundheitsgefahren mit mehreren wissenschaftlichen Studien beweisen. Den Stand der medizinischen Forschung hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Sondergutachten "Umwelt und Gesundheit" im Jahr 1999 zusammengefaßt; danach steigt bei einer Lärmbelastung mit einem Dauerschallpegel von tags mehr als 65 dB(A) das Herzinfarktrisiko signifikant an (Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umwelt und Gesundheit, Sondergutachten 1999, S. 297, Tz. 466).
Aktuell hat das Umweltbundesamt im Jahr 2000 in der Studie "Fluglärmwirkungen" folgende Empfehlungen ausgesprochen:
Wirkung |
Leq(3) tags in dB(A) |
Leq(3) nachts in dB(A) |
Erhebliche Belästigung |
55 |
45 |
Gesundheitsbeeinträchtigungen präventivmedizinisch zu befürchten |
60 |
50 |
Gesundheitsbeeinträchtigungen (Herz-Kreislauferkrankungen) zu erwarten |
65 |
55 |
Für die Nachtzeit empfehlen die Sachverständigen des Umweltbundesamtes, daß zur Abwehr einer Gesundheitsbeeinträchtigung ein Pegel von Leq(3) 50 dB(A) nicht überschritten werden soll. Dieser Pegel wird vor den Schlafzimmerfenstern aller Antragsteller um bis zu 10 dB(A) überschritten.
Die drei Forderungen der Anwohner stützten sich rechtlich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Pflicht des Verkehrsministers, die Bürger vor Eingriffen in ihr Grundrecht auf Schutz ihres Wohlbefindens und ihrer Gesundheit zu schützen. Der maßgebliche letzte Planfeststellungsbeschluß aus dem Jahr 1971 vermittelt der FRAPORT AG keinen Bestandsschutz, weil sie mit 97 Flugbewegungen pro Stunde das ihr genehmigte Maß von 70 Bewegungen verlassen hat. Der die 108 Antragsteller vertretende Fachanwalt für Verwaltungsrecht Matthias Möller-Meinecke widerlegt in seiner Antragsschrift auch das Gutachten seines Münchner Kollegen Gronefeld, der die Grundrechtseingriffe durch eine Steigerung des Flugbetriebs um 50 % nicht berücksichtigt hat. Er hält dem Gutachter des Ministers vor, daß bei dem von jenem als Reverenz angeführten Münchener Flughafen 38 nächtliche Flugbewegungen das Verkehrsministerium zu drastischen Restriktionen für den Nachtflugbetriebs veranlaßt hätten, die das Bundesverwaltungsgericht unbeanstandet ließ. Daraus leitet Möller-Meinecke die Forderung ab:
"Wenn die 1.000 Tagflüge in Frankfurt beibehalten werden sollen, ist ein Nachtflugverbot für Frankfurt unumgänglich."
Möller-Meinecke verweist darauf, daß mit dem von ihm vertretenen Mandantenkreis erstmals eine Bürgerinitiative aus allen Anliegergemeinden einen Flughafen "eingekreist" habe und ihm damit strategisch die Möglichkeit nehme, die Beschwerdeführer gegeneinander auszuspielen. Der Anwalt erwartet, daß "der Rechtsstreit durch alle Instanzen gehen wird und am Ende zur Einschränkung des Flugbetriebs auf das Anfang der neunziger Jahre erreichte Maß führen wird."
Rückfragen an:
Rechtsanwalt Matthias Möller-Meinecke Tel. 0 36 / 45 84 96 10
Rechtsanwalt und Notar Hartmut Wagner Tel. 0 69 / 86 78 13 13
Antrag von RA Matthias Möller-Meinecke
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