Ticona fordert andere Flugrouten
Bericht in hr-online vom 26.08.05
Ticona fordert andere Flugrouten - Klage gegen Luftfahrtbundesamt
Flughafen und Chemiewerk in direkter Nachbarschaft. Das passt nicht gut zusammen. Während das
hessische Regierungspräsidium dem Chemieunternehmen Ticona zahlreiche Auflagen, bis hin zur
Verlagerung von Werksteilen gemacht hat, setzt sich das Unternehmen jetzt zur Wehr.
Ticona klagt gegen die Abflugrouten.
Aus Sicherheitsgründen halte das zum US-Konzern Celanese gehörende Chemieunternehmen die
Flugrouten nicht für vereinbar mit EU-Recht und fordere eine Verlegung, teilte das
Unternehmen am Freitag mit. Die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und das
Luftfahrtbundesamt richtet sich zunächst nur gegen die bestehenden Flugrouten. Der
Rechtsstreit hat allerdings indirekt Einfluss auf die Auseinandersetzung um den
umstrittenen Ausbau des Flughafens. Die für 2009 vorgesehene neue Landebahn Nordwest
liegt nahe am Chemiewerk und würde die Zahl der Überflüge deutlich erhöhen.
Ticona stelle sich nicht gegen den Ausbau, plädiere aber für eine andere Variante in
größerer Entfernung zu dem Werk, sagte der zuständige Projekt-Manager von Celanese,
Ralf Christner. Die Störfallkommission hatte auch die Nordwest-Variante der geplanten
Landebahn als nicht vereinbar mit dem Chemiewerk bezeichnet. Die von Fraport angeführten
Gutachten sehen darin allerdings keinen Hindernisgrund für die Planungen.
Absturzrisiko geht von Flugrouten aus
"Das Regierungspräsidium erwägt sicherheitserhöhende Maßnahmen für unser Werk,
berücksichtigt aber nicht die Ursache für das Absturzrisiko", sagte Christner.
"Das für die Ticona festgestellte Absturzrisiko geht zweifelsfrei von den Flugrouten aus."
Dieses Risiko könne durch veränderte Routen deutlich verringert werden, wie der vom
Regierungspräsidium selbst beauftragte Gutachter, der TÜV Pfalz, festgestellt habe.
Ticona hatte bereits 2002 eine Erweiterung der Anlage zur Herstellung von technischem
Kunststoff von 90.000 auf 130.000 Jahrestonnen beantragt. Wegen der ungelösten
Sicherheitsfragen wurde bisher darüber nicht entschieden.
Fraport verweist an Luftfahrtbundesamt
Der Flughafenbetreiber Fraport wollte sich nicht zu der Klage äußern und verwies
auf die für die Routen zuständige Deutsche Flugsicherung (DFS) und das
Luftfahrtbundesamt als Aufsichtsbehörde.
Klage bereits in Kassel eingegangen
Die Klage von Ticona sei vergangene Woche eingegangen, bestätigte der Hessische
Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Wann darüber entschieden werde, sei offen.
Bereits die Störfallkommission des Bundes hatte 2004 empfohlen, die Flugrouten
wegen der verheerenden Auswirkungen eines Absturzes über Ticona zu verlegen.
Auch der TÜV Pfalz hatte im Mai auf das Absturzrisiko hingewiesen. Mit der Klage
wurde zugleich vorsorglich beantragt, den Fall dem Europäischen Gerichtshof
vorzulegen, falls das Kasseler Gericht sich außer Stande sehe, die Auslegung
der Seveso-II-Richtlinie zu beurteilen.
Die Seveso-Richtlinie der EU
Aus Sicht des Unternehmens Ticona verstoßen die vom Luftfahrtbundesamt festgelegten
Flugrouten über dem Ticona-Werk gegen die europäische Richtlinie zum Schutz vor
Chemieunfällen (Seveso-II-Richtlinie). Diese schreibt vor, bei der Festlegung von
Verkehrsrouten alle Risiken so gering wie möglich zu halten. Deshalb hätten weniger
gefährliche Flugrouten geprüft und gewählt werden müssen, sagte Christner: "Die
Belange von Ticona wurden bei der Festlegung der Abflugrouten in keiner Weise
berücksichtigt und blieben damit willkürlich außer Acht."
Richtlinie für Frankfurt nicht einbezogen
Das Luftfahrtbundesamt räumte ein, dass die Seveso-II-Richtlinie nicht in die
Festlegung der Flugrouten in Frankfurt einbezogen wurde. Die Bundesregierung
habe bislang auch das Chemiewerk nicht zum Sperrgebiet für Überflüge erklärt.
Zur Klage im Einzelnen wolle er sich nicht äußern, sagte der für Flugrouten
zuständige Mitarbeiter der Behörde.
Der Originalbeitrag kann vorübergehend mit Bild und weitergehenden Informationen unter
hr-online
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