Störfallkommission verwahrt sich gegen "Einflussnahme"
FAZ.NET Bericht vom 13.02.04
Wenige Tage vor der abschließenden Beratung der Störfallkommission über eine Stellungnahme zum
Risiko einer Landebahn am Frankfurter Flughafen in der Nähe des Kelsterbacher Chemiewerks Ticona
hat sich die Auseinandersetzung um das zu erwartende Votum verschärft. Der Vorsitzende
der Kommission, Christian Jochum, sprach von einem nicht zu akzeptierenden Versuch des Flughafenbetreibers,
der Fraport AG, politischen Einfluss auf die Entscheidung des vom Bundesumweltminister einberufenen
Gremiums auszuüben. Er kritisierte vor allem, dass Fraport an mehr als hundert
"politische Entscheidungsträger", unter anderen an die Bundesminister für Wirtschaft und
Umwelt sowie an die Ministerpräsidenten, geschrieben hatte, mit der Bitte, "Ihren
Einfluss geltend zu machen, dass das Votum nicht in der vorliegenden Form von der Störfallkommission
und der Bundesregierung übernommen wird".
Fraport befürchtet ansonsten "erheblichen Schaden" für die deutsche Wirtschaft.
Aufgrund einer Analyse meint Fraport, dieser Empfehlung könne nicht gefolgt werden,
weil sie gravierende Mängel aufweise (F.A.Z. vom Freitag).
Auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Margareta Wolf (Grüne)
aus Groß-Gerau nannte es einen "einmaligen und unverständlichen Vorgang,
dass der Vorstand
eines Unternehmens derart Einfluß auf die Arbeit der unabhängigen Kommission nehme; Wolf hatte
indes schon vor einiger Zeit nach einem Besuch bei Ticona den Plan einer Nordwest-Landebahn für
undurchführbar erklärt. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Ursula Hamann,
nannte den Vorstoß von Fraport ein "ganz übles Vorgehen". Das Unternehmen versuche, mit der
Forderung nach dem Widerruf der Genehmigungen für Ticona die Sicherheitslage zu verdrehen und die
Entschädigungslast von sich auf den Rücken der Steuerzahler abzuwälzen. Fraport sei eindeutig der
Verursacher für die Risikoerhöhung. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Römer, Uwe Becker, pflichtete
hingegen Fraport in der Meinung bei, die Arbeitsgruppe habe nur die negativen Faktoren berücksichtigt.
Das Gremium ignoriert seiner Ansicht nach, dass für die Prognose eines Störfalles nicht von der
Wahrscheinlichkeit eines Unglücksfalles in 10000, sondern eines in 25000 Jahren auszugehen sei.
In der Sicht von Jochum, der auch die Arbeitsgruppe leitete, wird es nicht gelingen, die Mitglieder
der Störfallkommission zu beeinflussen. Er billigt indes Fraport das Recht zu, sich inhaltlich mit
dem Votum auseinander zusetzen und den Mitgliedern der Kommission ihre Argumente zu unterbreiten. In
einem Brief an die anderen Mitglieder der Kommission setzte sich Jochum unter anderem mit der
Auffassung auseinander, ein Scheitern der Nordwest-Landebahn in Frankfurt aus Sicherheitsbedenken
gefährde den Luftverkehrsstandort Deutschland insgesamt. Das treffe nicht zu, weil schon nach den
von Fraport eingereichten Unterlagen es keinen anderen Flughafen in Deutschland gebe, dessen
Landebahnen so dicht an eine sogenannte Störfallanlage wie das Chemiewerk in Kelsterbach grenzten, schreibt Jochum.
Der Originalbeitrag kann vorübergehend unter faz.net Rhein-Main-Zeitung
abgerufen werden:
http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC294CC/Doc~E249F1C892DC24905B941280A470FA83E~ATpl~Ecommon~Scontent.html
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