"Brauchen endlich ein
Schadstoff-Messsystem"
Neu-Isenburger Wissenschaftler Dr. Herbert
Drouin: Gefährliche Emissionen nehmen durch Flughafenausbau weiter zu
Bericht der Offenbach Post
vom 26. Juli 2003
Neu-Isenburg (lu)
. "Es ist ein Skandal, was den Menschen hier zugemutet wird -
angeblich zum Wohle der Region." Dr. Herbert Drouin kann sich richtig
aufregen, wenn es um ein Thema geht, das in seinen Augen bisher sträflich
vernachlässigt wurde: die durch den Frankfurter Flughafen ausgelöste
Schadstoffbelastung der Bevölkerung im dicht besiedelten
Rhein-Main-Gebiet.
Fluglärm und seine Folgen für den
Menschen sind in aller Munde, meint Drouin, der in der Taunusstraße wohnt
und von den "Lärmereignissen" am Isenburger Himmel selbst ein
Lied singen kann.
Doch mindestens so gravierend wie diese
schätzt der Wissenschaftler, dessen Vorfahren seit gut 300 Jahren in der
Hugenottenstadt ansässig waren, die Auswirkungen der Schadstoffbelastung
ein – für die Gesundheit der betroffenen Bevölkerung als auch für die
finanziellen Folgen durch volkswirtschaftliche Schäden, die von der
Allgemeinheit zutragen sind.
"Und die Belastungen werden noch über
den bisher schon höchst bedenklichen Zustand hinaus erheblich
zunehmen", sagt der heute 67-jährige Chemiker und Neurophysiologe,
der lange Zeit in den USA und zuletzt am Max-Planck-Institut für Biophysik
in Frankfurt tätig war.
Er hat nämlich die im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens für die Wartungshalle und den Betrieb des Großraumfliegers
A 380 ausliegenden Unterlagen - unter anderem das lufthygienische Gutachten
des Flughafenbetreibers Fraport - auf die darin veröffentlichten
Berechnungen über den zu erwartenden Schadstoffausstoß abgeklopft.
Danach nehmen die giftigen Stoffe wie
folgt zu: Stickoxide um 26 Prozent auf 73 Tonnen pro Jahr, Kohlenmonoxid um
20 Prozent auf 151 Tonnen, Benzol um 17 Prozent auf 0,92 Tonnen,
Schwefeldioxid um 49 auf 2,45 und Kohlenwasserstoffe um 34 Prozent auf 29,6
Tonnen.
Die raumordnerischen Vorgaben des
Landesentwicklungsplanes, der auch für Fraport Gültigkeit habe,
verlangten jedoch eine Reduzierung der Schadstoffemissionen, so der
Wissenschaftler. Und die Zunahmen widersprächen auch dem im Regionalplan
enthaltenen Grundsatz, dass verkehrsbedingte Emissionen zu reduzieren
seien.
"Zudem sind das fast nur
Berechnungen, gemessen wird kaum etwas. Wir müssen endlich wie in anderen
Ländern ein Schadstoff-Monitoring aufbauen und dazu Messstellen
einrichten, zum Beispiel regelmäßig in der Innenstadt und dem Flughafen
Frankfurt messen, ebenso am Frankfurter Kreuz", so Drouin.
Denn es sind nicht nur die bekannten
Schadstoffe, die ihm auch in ihren Auswirkungen auf Pflanzen, Atemluft und
Grundwasser Sorgen bereiten. Viel schlimmer und in ihrer Wirkung noch
nicht, vollständig erforscht seien Schwebstoffe, mikroskopisch kleine und
heimtückische Partikel, die bei Verbrennungsprozessen - wie beim Straßen-
und beim Luftverkehr - entstünden: "Aus den Flugzeugdüsen kommen bis
zu 350 verschiedene Substanzen."
Nach einem Bericht der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) würden jährlich etwa 40000 Menschen in
den drei Ländern Frankreich, Österreich und der Schweiz – mit insgesamt
etwa gleicher Einwohnerzahl wie Deutschland- an den Folgen
feinstaubbedingter Krankheiten sterben.
Die Studie verweise auf 25000 Fälle
chronischer Bronchitis bei Erwachsenen, gut 290000 Bronchitits-Erkrankungen
bei Kindern und etwa eine halbe Million Asthma-Attacken: "Wie groß
mag die Gefährdung der Menschen dann erst hier bei uns im
verkehrsintensiven Ballungsgebietsein?" Da klängen dann Aussagen aus
Frankfurt, man habe ja "das demokratische Recht, fortzuziehen",
nur noch zynisch.
Verwunderlich, so Drouin, ,sei, dass ein
zwischenzeitlicher Bericht der Universität Stuttgart noch nicht öffentlich
geworden sei. Diese habe für das Regionale Dialogforum untersucht, welche
„externe Kosten" (beispielsweise durch chronische Bronchitis oder
Asthma) als Folgen des Flughafenausbaus entstehen werden.
"Verkürzte Lebenszeiten von
Menschen sind zwar materiell nur begrenzt erfassbar, aber sie wiegen
moralisch mindestens so schwer wie die Belastungen unseres
Gesundheitssystems, die durch Schadstoffemissionen verursacht sind",
meint der Physiologe, der sich inzwischen in der Bürgerinitiative gegen
Fluglärm und Schadstoffbelastung engagiert.
Er fordert Kommunal- und Landespolitiker
auf, "im Interesse der hier lebenden Menschen diesem Thema endlich
mehr Aufmerksamkeit zu schenken und systematische Messungen vornehmen
zulassen."
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