Reden auf der Aktion am 12. August 2001

Fluglärm macht krank

 

Dr. Wolfgang Kappus, Unternehmer und ehem. Präsident der Industrie- und Handelskammer Offenbach

 Die Rede wurde nach einer Tonbandaufzeichnung niedergeschrieben
 

Meine Damen und Herren,
 
ich begrüße Sie recht herzlich und freue mich, daß so Viele gekommen sind. Wir haben einige Konkurrenzveranstaltungen: Marktplatzüberdachung, SPD Sommerfest, das schmälert die Beteiligung. Herr Weinberger von der Frankfurter Allgemeinen hat gesagt: Das steht einer Großstadt gut. Wir können die Simultanität von solchen Ereignissen problemlos verkraften. Sie werden fragen, meine Damen und Herren: Was tut ein Unternehmer hier oben, um gegen den Fluglärm zu protestieren? Normalweise wälzen sich doch diese Unternehmer – um im Bild zu bleiben – mit Herrn Bender und Co. auf demselben Bettlaken. Sie liegen doch im selben Bett. So hat es den Anschein, so ist es aber nicht. Wir Unternehmer gehören nicht zu den Spezies, die, ohne Rücksicht auf die Umgebung solche Dinge wie Flughafenausbau kritiklos befürworten. Ich spreche immer in diesem Zusammenhang von der sogenannten Wirtschaftswachstumslüge und ich werde mich auch auf zwei drei Bemerkungen zu diesem Thema konzentrieren, weil es für die anderen Probleme noch andere Redner geben wird. Abgesehen davon, meine Damen und Herren, daß Unternehmer – im Gegensatz zu anders lautenden Meinungen – durchaus normale Menschen sind, möchte ich Sie über einige Fehlinformationen aufklären.
Herr Bender und die ihm angeschlossenen Wirtschaftsdynamiker sprechen nicht für alle Unternehmer der Region. Es sieht nur so aus. Es gibt nicht nur wirtschaftliche Gründe für den Ausbau, sondern eine Reihe wirtschaftlicher Gründe gegen den Ausbau, die viel schwerer wiegen. Oft sind es ethische und regionalpolitische Gründe, die so viel schwerer wiegen als diese schlicht vordergründigen "Erfolgsaussichten" der Wirtschaft. Viele Unternehmer wissen das, und viele Unternehmer werten das auch so.
Meine Damen und Herren, Fraport Frankfurt ist im Gegensatz zu dem Eindruck, den er erwecken will, kein Mäzen und kein Wohltäter der Region, der wie eine gute Fee Arbeitsplätze und Verkehrskomfort stiftet. Fraport ist ein mächtiges Wirtschaftsunternehmen, das sich mit Hilfe seiner monopolistischen Marktposition und seiner speziellen Eigentumsverhältnisse – Sie wissen, daß die Stadt Frankfurt und das Land Hessen Großaktionäre und Nutznießer des Ausbaus sind – über das Interesse der Allgemeinheit oder zumindest beachtlicher Minderheiten hinwegsetzen möchte und zwar aus egoistischen und individualwirtschaftlichen Gründen.
Die Bevorzugung des Giganten Fraport gegenüber anderen Wirtschaftsunternehmen ärgert mich als Mittelständler ganz besonders. Ich habe mich immer als ein Repräsentant mittelständischer Unternehmen verstanden, die den größten Teil der Arbeitsplätze in dieser Region schaffen. Diese Situation ist ungerecht. Die Bevorzugung der Großen ist ungerecht und skandalös und einfach nur durch die unheilige Allianz von wirtschaftlicher Macht und politischem Opportunismus zu erklären.

Zwischenruf: Genau! Großer Beifall

Meine Damen und Herren, ich will nicht in die Einzelheiten gehen. Viele Argumente sind ja schon bekannt und liegen auch schriftlich vor, aber daraus zeigt sich eindeutig, daß die passiven und aktiven Wachstumswirkungen des Flughafenausbaus zum großen Teil unbewiesen sind. Mehr Flugverkehr heißt nicht per se mehr Wirtschaftswachstum – und damit natürlich auch mehr Arbeitsplätze. Wenn Sie einmal davon absehen, daß natürlich bei Fraport eine Reihe von Arbeitsplätzen geschaffen werden. Von großen Teilen des Verkehrsvolumens des gesamten Urlaubsverkehrs und des Charter-Verkehrs hat die Wirtschaft überhaupt keinen Vorteil.

Beifall

Die gebetsmühlenhaft verbreiteten Unterstellungen, Wirtschaftsunternehmen würden diese Region meiden oder scharenweise das Rhein-Main-Gebiet verlassen, wenn der Flughafen nicht ausgebaut würde, ist einfach falsch.

Beifall

Ich habe selbst einige der Fragebogen der Fraport damals im Mediationsverfahren ausgefüllt. Da waren so Fragen drin: Glauben Sie, daß ihr Unternehmen in zehn Jahren noch wachsen kann, wenn Sie nicht mehr im Stundentakt eine Verbindung nach London oder Paris haben? Ja, das waren wirklich Fragen, die in der Mediation gestellt wurden. Diese Verbindung im Stundentakt oder die Erreichbarkeit eines Flughafens innerhalb von 45 Minuten steht auf der Liste der unabdingbaren Ansiedlungsvoraussetzungen nicht an wichtiger Stelle. Neben einer sicherlich notwendigen vernünftigen Verkehrs- und Infrastruktur gibt es viel wichtigere Probleme zu lösen: die Zulieferersituation, gut ausgebildete Arbeitnehmer, wirtschaftsfreundliche Verwaltungen, Wohnumfeld, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Gerade die zuletzt genannten weichen Standortfaktoren spielen bei den Unternehmen eine viel größere Rolle und dafür ist der Ausbau des Flughafens kontraproduktiv.

Großer Beifall

Meine Damen und Herren, was mich ganz besonders ärgert und das wird sicherlich den hier anwesenden Oberbürgermeister auch sehr ärgern. Fraport prejudiziert mit dem, was es vorhat, und in der Art und Weise, wie es vorgeht – es prejudiziert die Regionalpolitik. Es schafft sogenannte "faits accompli", d. h. das Unternehmen schafft Tatsachen, an denen nachher die Politik nicht mehr vorbeikommt. Durch die sehr komplizierten Rechtsverhältnisse, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch im Umfeld ist Fraport öffentlich rechtlich sehr schwer zu kontrollieren. Es schafft zwar die unumkehrbaren Tatbestände durch den Bau einer neuen Start- und Landebahn und schafft damit im öffentlichen Bereich Handlungszwänge. Wenn die Start- und Landebahn dann einmal da ist, dann ergeben sich daraus Sekundäreffekte, die die Politik nicht mehr aufhalten kann.
Erschwert wird diese Situation durch regionalpolitische Sonderinteressen – die z. B. in Frankfurt liegen –, die einfach die Balance zwischen den allgemeinen Lasten, die ein Bürger in dieser Region zu tragen hat, und deren Kompensation durch öffentliche Vorteile – nämlich z. B. Gewerbesteuer – in Frage stellt. Es kommt, um im Wort oder im Bild des Oberbürgermeisters zu bleiben, es kommt zu einer Entdemokratisierung der Situation. Die Tendenz – und jetzt werde ich mal ein paar Sätze lang ein bißchen polemisch – die Tendenz, die Region Offenbach in den Lärmhinterhof Frankfurts zu verwandeln, und die daraus entstehenden steuerlichen Vorteile alleine einzusacken, muß umgekehrt werden.

Großer Beifall

Einer solch undemokratischen Entwicklung muß sich der demokratische Bürger einfach entgegenstellen und es freut mich, daß es so viele von ihnen noch gibt. Ich stelle – und damit komme ich schon zum Ende, denn alles andere können Sie nachlesen – für das Argumentationsfeld, das ich zu vertreten habe – und das ist Wirtschaft oder wirtschaftliche Vorteile aus dem Frankfurter Airport – fest:
Erstens, die vorausgesagten wirtschaftlichen Vorteile eines Flughafenausbaus sind zum Teil unbewiesen und in jedem Falle übertrieben. Die Arbeitsplätze, die Ihnen vorgegaukelt werden, kann niemand nachrechnen und sie sind auch in anderen Zusammenhängen nicht entstanden.

Großer Beifall

Zweitens, die entstehenden Nachteile für die Wohnbevölkerung durch Fluglärm sind als erheblich größer einzuschätzen und sie werden verniedlicht.
Drittens, die Wirtschaft – und das muß ich Ihnen immer wieder sagen – ist nicht geschlossen für den Ausbau. Es gibt sehr differenzierte Ansichten. Deshalb hat sich z. B. auch die Industrie- und Handelskammer – zumindest in der Zeit, als ich Präsident war – nie eindeutig zu dieser Frage geäußert.
Viertens, die Lasten sind innerhalb der Region ungleich verteilt und diese Lastenverteilung dient nur der Kostenminimierung des Akteurs, Fraport. Fraport, das ist ein Wirtschaftsunternehmen wie die Seifenfabrik Kappus auch, und ich sehe nicht ein, warum sie größere Vorteile aus der öffentlichen Situation ziehen soll als wir.

Großer Beifall

Fünftens, das, was uns als Demokraten besonders angeht, die Entscheidungsprozesse der firmenübergreifenden, also fraportübergreifenden Probleme, werden ungenügend kontrolliert und im Sinne von Fraport beeinflußt.

Großer Beifall

Ich habe sehr lange – zwar nur als Zuschauer und Zuhörer – an den Mediationsrunden teilnehmen können und ich weiß, welche Interessen hier im Vordergrund gestanden haben, und wie man die eigentlich und gegen den Ausbau argumentierenden Leute "schwindelig geschwätzt" hat. Die Lasten werden sozialisiert, die Vorteile werden individualisiert. Das kann nicht in unserem Sinne sein.

Großer Beifall

Was natürlich schwierig ist für die Regionalpolitik und auch für die Landespolitik, die natürlich eine ganz große und wichtige Rolle bei diesen Entscheidungen spielt, ist die Tatsache, daß die nicht betroffenen Bürger in der Region und damit im ganzen Land im Sinne eines Ausbaus beeinflußt werden. Ich kann mich erinnern, wenn ich mit meinen Kollegen, den Präsidenten der Industrie- und Handelskammern in Hessen zusammensaß, dann waren natürlich Darmstadt und Wiesbaden und Kassel und Hanau usw. und Gießen, die waren für einen Ausbau, warum: Weil da kein Flugzeug drüberfliegt.
Und es wird auch bagatellisiert. Es wurde ja vorhin schon angesprochen: Der Herr Koch kommt hierher mit so einem winzigen Meßgerät in der Hand und tut so, als entstände hier kein Lärm und es wird im Umfeld die Idee entwickelt, als wäre eigentlich alles eine läßliche Sünde. Das ist keine läßliche Sünde.
Fraport hat eine gute PR-Abteilung. Die betroffene Minderheit verfügt weder über eine PR-Abteilung noch über die finanziellen Mittel und die politischen Hebel, um ihre Probleme zu artikulieren.

(Technische Störung)

Es ist nicht so, daß mir das Wort abgeschnitten wird ... es ist eine technische Panne.

Ich bin im wesentlichen, meine Damen und Herren, ich bin im wesentlichen am Ende. Ich freue, daß es zu dieser spektakulären Aktion gekommen ist, und ich glaube, es ist bestimmt eine Aktion, die im Blätterwald und vielleicht auch in der Medienwelt eine große Resonanz finden wird. Und ich muß mich an dieser Stelle noch einmal bei all denen bedanken, die es möglich gemacht haben. Das sind nicht nur die Betttuchstifter, die natürlich auch, aber auch diejenigen, die ausgelegt haben, diejenigen, die die Idee entwickelt haben, und diejenigen, die schon Jahrzehnte dabei sind, für diese Idee zu werben.
Ich hoffe, daß die Aktion als notwendiger Aufschrei wahrgenommen wird und einen Umdenkungsprozeß einleitet.

Großer Beifall

Ich glaube, es steht uns als inzwischen erwachsen gewordenen Demokraten ganz gut an, was wir heute tun. Daß wir das anschließend mit einem Gläschen Bier und einer Bratwurst beschließen können, macht das um so angenehmer. Ich bedanke mich dafür, daß sie hierher gekommen sind und wünsche Ihnen noch einen schönen Nachmittag.

Großer Beifall

Stopp Fluglärm

OF - Offenbach ohne Fluglärm