Flughafen-Ausbau: Neue Varianten-Debatte denkbar
Bericht in hr-online vom 19.04.04
Im Streit um den Ausbau des Frankfurter Flughafens muss das Land Hessen nach einem Mahnschreiben der
EU-Kommission möglicherweise doch alternative Erweiterungsvarianten prüfen. Der vom Flughafenbetreiber
Fraport bis 2007 anvisierte Ausbau könnte sich damit weiter verzögern.
Alternative Standorte nicht geprüft
Obwohl die Störfallkommission des Bundes die bisher geplante Ausbauvariante im Nordwesten wegen des nahen
Chemiewerks Ticona abgelehnt habe, seien alternative Standorte für die neue Landebahn nicht geprüft worden,
bemängelt die Kommission in einem Schreiben, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. "Eine Prüfung
der anderen Varianten sowie insbesondere ein Vergleich der Varianten angesichts der Ergebnisse der
Sicherheitsuntersuchung wurde nicht vorgenommen", heißt es in dem vom 1. April datierten und bisher
unveröffentlichten Brief an Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne).
Mahnschreiben an Fischer
Am 30. März hatte die EU-Kommission ein Verfahren gegen Deutschland wegen des Verstoßes gegen die
Sicherheitsrichtlinie Seveso-II beim Ausbau des Rhein-Main-Flughafens eingeleitet. Die Richtlinie
legt fest, dass standortbedingte Risiken in der Wechselwirkung zwischen Flughäfen und Chemiewerken
schon bei der Bauplanung berücksichtigt werden müssen. Das Mahnschreiben an Fischer konkretisiert
die Vorwürfe der Kommission, die nach einer Beschwerde der Fraktion der Flughafen-Ausbau-Gegner im
Frankfurter Stadtparlament tätig geworden war. Als letztes Mittel könnte die EU-Komission Deutschland verklagen.
Benders Argumentation widerlegt
In ihrem Mahnschreiben widerspricht die Kommission auch der Argumentation von Fraport-Chef Wilhelm Bender.
Er hatte erklärt, der Sicherheitsaspekt sei zwar nicht schon in dem im Juni 2002 abgeschlossenen
Raumordnungsverfahren geprüft worden, dies könne aber im laufenden Planfeststellungsverfahren nachgeholt werden.
Das sieht die Kommission anders: "Im Raumordnungsverfahren hätte... eine umfassende Prüfung des Absturzrisikos
von Flugzeugen, die auf der geplanten Landebahn Nordwest landen, auf die in der Einflugschneise liegenden
Betriebe und Anlagen im Sinne der Seveso-II-Richtlinie sowie möglicher 'Domino-Effekte' zwischen diesen
Anlagen und dem Frankfurter Flughafen durchgeführt werden müssen", heißt es in dem Mahnschreiben.
EU moniert Verfahrensfehler
Das Ergebnis dieser Sicherheitsprüfung hätte dann vor der Festlegung auf eine Ausbauvariante berücksichtigt
werden müssen, stellt die EU-Kommission fest. Dass dies nicht geschehen sei, sei als Verfahrensfehler und
wesentlicher Mangel des elf Monate dauernden Raumordnungsverfahrens zu werten. Dieser Verfahrensfehler
werde dadurch fortgeschrieben, dass weiter keine alternativen Varianten für den Flughafenausbau geprüft würden.
Die Kommission fordert die Bundesregierung daher auf, sich binnen zwei Monaten zu den Vorwürfen zu äußern.
Der Originalbeitrag kann vorübergehend mit Bildern unter
hr-online
abgerufen werden:
http://www.hr-online.de/website/themen/hessen/hessen_10_einzel.jsp?key=hessen_10absaetze_959992&rubrik=371
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