Die Substitution des Flugverkehrs durch die Bahn - eine längst überfällige Korrektur des Mediationsberichts
In der Frankfurter Rundschau vom 2. März diesen Jahres ist dem aufmerksamen Leser folgender Kommentar von Wolfgang Schubert über eine Innovation bei der Deutschen Bahn AG nicht entgangen:
"Ein feiner Zug"
Von Wolfgang Schubert
Endlich. Lange genug hat es ja gedauert. Mehr als fünf Jahre mühten sich Lufthansa, Flughafen und Bahn, um ein Projekt zu realisieren, das in der Schweiz längst zum Standard-Programm in der Zusammenarbeit zwischen Zug und Flug gehörte. Das war im Land der High-Tech-Innovationen wahrlich keine große Nummer.
Die Frage sei erlaubt: Was eigentlich war so schwer daran, in Stuttgart einen Check-in-Schalter der Lufthansa hinzustellen, im ICE ein paar Sitze rauszuschmeißen, stattdessen einen Container fürs Gepäck zu installieren, in Frankfurt die Koffer wieder auszuladen und anschließend zum Flieger zu bringen?
Die Antwort. Eigentlich gar nichts.
Aber schauen wir nach vorne. Es ist gut, dass der Zug endlich zum Flug fährt. Das bietet die Chance, auf innerdeutsche Flüge zu verzichten. Von Stuttgart, Nürnberg, Düsseldorf oder Köln nach Frankfurt zu fliegen ist ökologisch und wirtschaftlich unsinnig. Auch auf den Strecken nach Berlin, Hannover und selbst München ist die Schiene eine Alternative, auch wenn es die Lufthansa (noch) nicht wahrhaben will.
Vor Euphorie sei dennoch gewarnt. Wer in der Verlagerung der Kurzstreckenflüge auf die Schiene die Lösung des Kapazitäts-Problems von "FRA« sieht, irrt gewaltig. Von Rhein-Main aus wird nicht ein einziges Flugzeug weniger abheben. Statt nach Stuttgart oder Düsseldorf starten die Jets dann nach San Francisco oder Dallas. Gestrichen wird im Flugplan kleines Gerät wie der Airbus A 319. Dafür gibt dann ein Pilot im Jumbo Gas.
Der ist nicht nur größer, sondern auch lauter."
Dazu ein Leserbrief:
6. März 2001
Betr. Kommentar "Ein feiner Zug" v. 2.3.01
Sehr geehrter Herr Schubert,
mich hat Ihr Kommentar in der Frankfurter Rundschau vom 2. März "Ein feiner Zug" gewundert. Vor allem deshalb, weil ich Ihre verkehrspolitischen Beiträge seit langer Zeit verfolge und schätze.
Sie schreiben ganz richtig "Auch auf den Strecken nach Berlin, Hannover und selbst München ist die Schiene eine Alternative, auch wenn es die Lufthansa (noch) nicht wahrhaben will." Soweit gehe ich mit Ihnen vollkommen d´accord. Dann aber warnen Sie: "Wer in der Verlagerung der Kurzstreckenflüge auf die Schiene die Lösung des Kapazitätsproblems von "FRA" sieht, irrt gewaltig", weil "nicht ein einziges Flugzeug weniger abheben" wird, sondern an Stelle der kleinen große Flieger starten werden, es mithin lauter wird.
Vermengen Sie nicht zwei Problemstränge des Flughafenausbaus: nämlich das Kapazitätsproblem, von dem die Flugverkehrswirtschaft, Fraport und die Fluggesellschaften sprechen, und das Lärmproblem, von dem die Bewohner betroffen sind? Beide hängen natürlich in spezifischer Weise zusammen, aber wie? Die Verlagerung von Flügen auf die Schiene kann eine Lösung des Kapazitätsproblems darstellen. Jedenfalls dann, wenn den Ergebnissen der Mediation ein Rest-Glaube geschenkt wird. Im Bericht der Mediation wird auf S. 28 die Substitution von Flugbewegungen durch die Bahn ja nicht verneint, sondern nur mit bescheidenen 5 Prozent des zukünftigen Verkehrsaufkommens auf FRA bewertet. Von den insgesamt 660.000 Flugbewegungen (im Jahre 2015) könnte die Bahn 35.000 übernehmen. Die Mediatoren kamen zu diesem (ausbaufreundlichen) Ergebnis weil sie den Radius, in dem die Bahn eine Konkurrenz zum Flugzeug darstellt, eng zogen (Hannover, Leipzig, Basel) und auf ca. 300 Kilometer beschränkten. Nun sagen Sie und diese Meinung teile ich, der ICE könne auch auf den Strecken nach Berlin und München, den Hauptstrecken des binnendeutschen Flugverkehrs, mit dem Flieger konkurrieren, also auf einem Radius von 500 Kilometern und mehr. Das ist auch genau der Radius, auf den neue englische Studien dem Eisenbahnschnellverkehr den Vorrang vor dem Flugzeug einräumen und das ist, was bereits 1990 Albert Speer in seinem Buch "Die intelligente Stadt" mit den Worten ausdrückte: "Das Flugzeug als Verkehrsmittel innerhalb der Bundesrepublik wird weitgehend durch den ICE ersetzt werden. Dies ist auch erforderlich, um Kapazität im Luftraum für internationale Verbindungen freizubekommen" (S. 162).
Wenn das aber so ist und Sie haben es in Ihrem Kommentar wiederholt dann löst die Bahn tatsächlich das viel diskutierte Kapazitätsproblem von FRA, denn dann können statt des angenommenen Substitutionspotentials von 5 Prozent mit gutem Gewissen 15 Prozent eingesetzt werden. Die Rechnung der Mediatoren (Bericht der Mediation, Zusammenfassung S. 28/29) sähe dann wie folgt aus:
Substitution von Flugbewegung durch die Bahn (statt 35.000): 105.000
Verlagerung nach Köln etc. 30.000
Verlagerung für den Hub nicht notw. Flüge 40.000
Kapazitätserweiterung des vorhandenen Bahn-
systems durch neue Technologien 80.000
Summa summarum 245.000
Stand der Flugbewegung 1998 416.000
Erreichbare Kapazität bis 2015 661.000
Gewünschte Kapazität im Jahre 2015 660.000
Quod erat demonstrantum.
Das vom Management von Fraport vorgegebene Potential von 660.000 Flugbewegungen wird sogar überschritten. Dabei werden 175.000 Flüge verlagert oder substituiert und das Volumen für FRA auf 490.000 Flugbwegungen beschränkt. Das Kapaziätsproblem ist gelöst und entgegen den Annahmen der Mediatoren braucht der Flughafen Rhein-Main nicht ausgebaut werden. Milliarden werden gespart. Das ist die Pointe Ihres Kommentars die Sie leider nicht erwähnen.
Wird der Fluglärm, der von FRA ausgeht, dadurch weniger? Nein. Die Anzahl der Flüge steigt von mittlerweile 460.000 in den nächsten 15 Jahren auf 490.000, also um 30.000. Das wäre die geringste Steigerung seit zwanzig Jahren. Auch wird der von diesen 490.000 startenden oder landenden Flugzeugen verursachte Lärm größer, weil kleinere durch größere Flugzeuge ersetzt werden (Flieger für den binnendeutschen Flugverkehr durch Flieger für den Kontinental- bzw. Interkontinentalverkehr). In dieser Beziehung haben Sie also recht. Aber was ist die Alternative, wenn die Substitution durch die Bahn gering geschätzt wird? Das ist der Ausbau des Flughafens und 660.000 Flugbewegungen also der Lärm der 490.000 plus der Lärm von 175.000 nicht substituierten oder verlagerten Flugbewegungen.
Warum haben Sie das Problem so irreführend kommentiert? Ein Satz hätte zur Klarstellung genügt und die Bedeutung des Vorgangs herausgestellt: Der ICE kann große Teile des binnendeutschen Flugverkehrs übernehmen.
Wie auch immer, ich freue mich, daß Sie indirekt bestätigt haben, daß ein weiterer zentraler Teil des Mediationsergebnisses unhaltbar geworden ist. Nach Ihren Ausführungen und den Berechnungen der Mediatoren ist ein Ausbau von FRA nicht notwendig. Das kann jeder Drittklässler nachrechnen die Politiker leider nicht. Ein Flughafenausbau in der bisher diskutierten Form ist eine Verschwendung von Milliarden, die FRA für eine dringend notwendige strategische Umorientierung zu einem regionalen Flughafensystem braucht. Der Raum neben der Innenstadt wird für die Menschen gebraucht oder wo sollen sie in der sich herausbildenden Metropole Rhein-Main wohnen? Wer am Standort "Stadtwald" für ein noch größeres europäisches Luftverkehrskreuz festhält, verbaut die Zukunft einer ganzen Region im wahrsten Sinne des Wortes und wird im Gedächtnis zukünftiger Generationen seinen Platz gleich neben den Bürgern von Schilda finden.
Ich würde mich über einen Kommentar freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Roth
Die Spanier sind hier im übrigen den Deutschen zumindestens in der Realitätswahrnehmung ein Stück voraus. So hieß es über die aktuelle Ernüchterung bei der Fluggesellschaft Iberia in der FAZ v. 10. März 2001:
"Der Weg für den Iberia-Börsengang ist frei"
pso. MADRID, 9. März.
Der Börsengang der spanischen Fluggesellschaft Iberia kann wie vorgesehen mit dem Beginn der Zeichnungsfrist am 19. März und der erstmaligen Notierung an der Madrider Börse am 3. April stattfinden. Nach intensiven Verhandlungen mit der Unternehmensleitung und Regierungsvertretern haben die Iberia-Piloten jetzt erst einmal eingelenkt und ihren Bummelstreik eingestellt. Die Regierung hatte zuvor angedroht, den Börsengang zu verschieben, falls die Piloten nicht nachgeben würden. Spaniens Regierung erwartet durch den Börsengang des letzten größeren Staatsunternehmens einen Emissionserlös von gut 1,1 Milliarden Euro, ein Drittel weniger als noch vor einem halben Jahr, als Luftfahrtgesellschaften generell noch höher bewertet wurden. Analysten glauben, daß der jüngste Bummelstreik gerade bei Kleinanlegern das Interesse an Iberia-Aktien nicht gefördert hat. Nach drei Verschiebungen in den vergangenen zwei Jahren will man jetzt aber nicht mehr länger warten. Das liegt wohl auch daran, daß eine der großen Gewinnquellen in absehbarer Zeit versiegt: Die derzeit hochrentable Luftbrücke zwischen Madrid und Barcelona wird nach der Eröffnung einer hochmodernen Schnellbahn 2004 stark an Attraktivität verlieren."
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