Rede von Hartmut Wagner, gehalten im Rahmen des Erörterungstermins zum geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens
am 4.11.2005 in der Stadthalle in Offenbach am Main
Zunächst soll dem eiligen Leser die Gelegenheit gegeben werden, direkt zu den Fraportlügen zu springen:
KAPAZITÄTSLÜGE
LÄRMLÜGE
NACHTFLUGVERBOTSLÜGE
JOBLÜGE
VOLLSTÄNDIGKEITSLÜGE
RISIKOLÜGE
PLANUNGSLÜGE
MEDIATIONSLÜGE
OBJEKTIVITÄTSLÜGE
Und nun zur Rede im Detail:
Rede, gehalten am 4.11.2005 in der Stadthalle in Offenbach am Main im Rahmen des Erörterungstermins zum geplanten
Ausbau des Frankfurter Flughafen.
Mein Name ist Hartmut Wagner, ich bin Bürger Offenbachs und Einwender. Ich möchte gerne zu dem Thema "Lärm",
das ab dem heutigen Tage abgehandelt wird, einige Gedanken beitragen. Lärm wird als einer der großen Störfaktoren
des modernen Menschen bezeichnet, die Definitionen des Begriffs sind vielfältig. Man kann ihn als unerwünschten,
störenden Schall begreifen. Weit über die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger fühlen sich, wie Umfragen ergeben
haben, durch Lärm gestört. Den Lärm in seiner Gesamtheit zu messen, ist meines Wissens noch niemanden gelungen.
Wir messen den Schalldruck, die Frequenzen und die Tonhöhe.
Wir wissen nur eines: gesund ist Lärm nicht, er ist ein bedeutsamer Stressor. Lärm macht nicht nur schlaflos,
sondern stört die sprachliche Kommunikation und die Entwicklung unserer Kinder. Er kann krank machen und
beeinträchtigt auch das Psychische Befinden des Menschen. Das Ohr schläft nie, auch dann nicht,
wenn wir schlafen. Herr Prof. Spreng hat es in dieser Halle mit Recht als Warnsinnesorgan par excellence
bezeichnet. Wir wissen auch, dass Fluglärm ganz besonders schädlich ist, einen malus besitzt. Es ist
ebenso bekannt, dass selbst bei solchen Personen, die sich subjektiv durch Lärm gar nicht gestört fühlen, dennoch
mit nachteiligen Reaktionen ihres Körpers eben auf dieses Schallereignis gerechnet werden muss. Wir werden in
den nächsten Tagen sicherlich viele Beiträge zu den Messmethoden, den Auswirkungen und allen anderen Komponenten
des Lärms, insbesondere des Fluglärms hören. Deshalb will ich dem gar nicht vorgreifen und nicht versuchen,
hier eine Definition des Lärms zu geben und mich zum medizinischen oder akustischen Sachverständigen aufzuschwingen.
Aber eines kann ich hier ganz deutlich sagen: in Bezug auf den Fluglärm weiss ich sehr genau, worüber ich
rede. Ich habe nämlich 16 Jahre lang in Offenbach-Tempelsee gewohnt, gerade einmal drei Straßen entfernt
von hier. Ich hatte dort ein schönes und großzügiges Haus mit einem ansprechenden Gartengrundstück, wie man es in der
Stadt recht selten findet. Erworben hatte ich dies im Jahre 1979. Ich habe dieses Haus im Jahr 1996 verkauft und bin in
den Ortsteil Rumpenheim gezogen. Sie ahnen es: Grund dafür war der Fluglärm. Als ich mein Haus in Tempelsee bezog,
zählte man knapp 177.000 jährliche Flugbewegungen, als ich wegzog, waren es etwa über 351.000 nahezu exakt eine
Verdoppelung. Ich konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr ungestört auf meiner Terrasse lesen oder telefonieren, meine
damals noch kleinen Kinder litten unter Angstzuständen, wenn eine großes Flugzeug, etwa eine Galaxy unser
Haus in niedriger Höhe überflog.
Damit auch alle hier Anwesenden, insbesondere die auf der Bühne, einen kurzen Eindruck vom Fluglärm bekommen,
gestatte ich mir, meine weiteren Ausführungen etwas mit diesem Lärm zu unterlegen. Auch zum Beweis dafür,
dass entgegen Prof. Scheuch für Kommunikationsstörungen nur der Dauerschallpegel zu betrachten ist. Denn ich habe den
Eindruck, dass "die da oben" nicht so recht wissen, über was hier bei diesem Tagesordnungspunkt geredet wird.
"Die da oben" meine ich im übrigen sowohl in Bezug auf diese Halle, aber auch in Bezug auf die Politiker und die Richter des Hess.
Verwaltungsgerichtshofs. (Jetzt wurde über die Lautsprecher meines Laptop das Geräusch eines überfliegenden
Flugzeuges eingespielt, was jedoch nicht zur vollen Zufriedenheit gelang, da das Saalmikrofon nur das
unmittelbar in dieses gesprochene Wort wiedergab, Nebengeräusche jedoch nicht in voller
Lautstärke naturgemäß konnte dies vorher nicht ausprobiert werden)
Nun war nicht nur ich dem Fluglärm ausgesetzt, sondern auch meine Nachbarn. Von diesen hat ein Teil dargelegt,
der Fluglärm störe sie überhaupt nicht. Einer dieser Nachbarn sagte mir, als ich in Tempelsee einzog,
er sei von Kindesbeinen an unter der Einflugschneise gewesen, und in früheren Zeiten seien die
Propellerflugzeuge doch viel lauter gewesen als die heutigen Jets. Der Mann wurde älter, und als er
das 55. Lebensjahr vollendet hatte, redeten wir wiederum über den Fluglärm. Der Nachbar
sagte "ich halte das nicht mehr aus, ich ziehe weg". Auf meine erstaunte Frage, er habe doch vor zwei
oder drei Jahren ganz anders geklungen, antwortete er: es ist so, als sei ein Fass ganz langsam
gefüllt worden, und jetzt sei es voll vielmehr, sein ganz persönliches Lärmfass sei jetzt
übergelaufen. Und angesichts der enormen Steigerung der Flugbewegungen, die ich bereits angesprochen habe, liefen die
Tropfen auch immer schneller in das Lärmfass.
Ein anderes Beispiel: ein guter Bekannter von mir, ebenfalls ein Offenbacher Bürger, hatte sich ein
neues Haus auf dem Offenbacher Buchhügel gekauft, also auch direkt unter der Einflugschneise, nicht weit
von hier. Ich fragte ihn, als er mir von seinen Kaufabsichten berichtete, ob ihn denn der Fluglärm nicht
störe. Seine Antwort lautete "oh nein, als Offenbacher weiss ich doch, dass dort die Einflugschneise
ist, und zur Vorsicht habe ich mich vor dem Kauf des Hauses eine Stunde dort aufgehalten, es erschien
mir durchaus erträglich". Der Mann zog ein, und nach einem guten halben Jahr wieder aus. Er habe es sich nicht
vorstellen können, wie das ist, wenn der Fluglärm Tag und Nacht, ohne Pause, ertragen werden müsse. Ein paar
Stunden "Probelärm" seien damit nicht vergleichbar. Sowohl mein Bekannter als auch ich haben uns
den Umzug und die Anschaffung eines neuen Hauses leisten können. Ich brauche nicht weiter auszuführen, dass dies die Ausnahme
darstellt. Die meisten Leute haben diese vornehmlich finanzielle Möglichkeit nicht. Sie müssen bleiben,
und es wird immer schlimmer. Wenn dann das Argument kommt, man habe doch gewusst, auf was man
sich einlasse, so verweise ich auf meinen Freund, der das Haus auf dem Buchhügel ich denke unter
dem Einstandspreis - verkauft hat. Ich verweise auch auf meinen Nachbarn, der den Lärm jahrelang
ertragen konnte, dann aber das Lärmfass überlief. Und ich verweise noch darauf, dass ein
Gutteil der Immobilien schon errichtet war, als der Flughafen noch auf dem Rebstockgelände beheimatet war.
Es bleibt das Argument, nicht alle Leute störten sich am Fluglärm. Es ist sicherlich richtig, dass hier eine
subjektive Komponenten hineinspielt. Die Mediziner sagen uns, dass auch bei einem subjektiven
Nicht-Gestört-Sein durchaus objektive schädliche gesundheitliche Folgen eintreten können,
freilich sicherlich nicht bei allen Individuen. Hier tritt nun das Problem auf, ob man eine
derartige Lärmentwicklung, wie sie hier geplant ist, verantworten kann, wenn nur einige
dem Fluglärm ausgesetzte Menschen gesundheitliche Nachteile durch den Fluglärm erleiden,
aber eben halt nicht alle wobei ich mich hier nicht auf Prozentzahlen festlegen kann.
Sicher ist jedoch, dass eine erhebliche Menge der Menschen unter diesem Lärm leidet.
Gilt hier das Mehrheitsprinzip? Sind die, die es nicht ertragen können, auf
das wie es die Frankfurter Oberbürgermeisterin einmal formulierte demokratische Recht zu
verweisen, doch wegziehen zu können? Ich halte dies für menschenverachtend. Was ist mit
den Nachtarbeitern, wie etwa Krankenschwestern und Ärzten? Was ist mit vorerkrankten
Menschen? Selbst wenn die Fluglärmgestörten eine Minderheit darstellen sollten, so ist
doch Aufgabe der Politik, der judikativen Gewalt und einfach eines Jeden, auch Minderheiten
zu schützen, insbesondere dann, wenn es um die schon nach unserem Grundgesetz als
besonders hochwertige erachtete Rechtsgüter, nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit
geht. Und wir wissen auch, dass der Mensch nicht nur aus Essen, Trinken und Schlafen
besteht, sondern auch zu einem ganz wesentlichen Teil aus seiner Sozialisation,
also seinem Freundes- und Bekanntenkreis und auch seiner Heimat. Ist all dies den
Ausbauwünschen eines einzelnen Unternehmens unterzuordnen? Steht die Lebensqualität
hinan, und nur die Abwehr von Krankheiten ist ein Thema? Ist das Wiedereinschlafenmüssen,
das ja ein Aufwachen voraussetzt, tolerabel, wie wir von Prof. Scheuch gehört haben?
Ist nur der Innenraum von Wohnungen schützenswert, findet Erholung auf Freiflächen
nicht mehr statt? Sind "sensible Gruppen", so ebenfalls Prof. Scheuch, zu vernachlässigen oder gar
auszumerzen?
Ich denke, das alle diese Frage mit nein zu beantworten sind. Der sog. Minderheitenschutz
wird nicht nur in unserem nationalen Rechtssystem sehr hoch gehalten, sondern auch durch
das Völkerrecht gefordert. Minderheiten sind zu schützen, So genießen die Sorben in Teilen
unseres Vaterlandes diesen Schutz. Ganz besonderes deutlich wird dies bei den Rechten, die
die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein genießt. Minderheitenschutz wird auch denjenigen gewährt,
die ihr Zusammenleben nicht nach den hergebrachten Moralvorstellungen gestalten, wie Lesben
und Schwulen, Minderheitenschutz gibt es für Andersgläubige und kleinere
Religionsgemeinschaften. Warum denn kein Minderheitenschutz für Lärmkranke und gestörte?
Nur am Rande gestatte ich mir die Bemerkung, dass eine weitere Gruppe der in unserem Land
lebenden Menschen einen sehr stringent entwickelten Minderheitenschutz erlebt: die
Politikerinnen und Politiker. Sie haben die Bundestagsabgeordneten nicht nur eine steuerfreie
Aufwandspauschale von über 3.000 Euro monatlich, wo doch der einfache Bürger für kleine
Ausgaben, die er steuerwirksam gelten machen will, penibel Belege vorlegen muss. Die
Politikerinnen und Politiker haben aber insbesondere den Minderheitenschutz in Bezug auf
Ihr Echo in der Öffentlichkeit. Die Mitglieder der auf Landesebene ausbaubefürwortenden
Parteien erreichen in den Kommunen, in denen die Planunterlagen der Fraport AG ausgelegt
worden, bei weitem nicht die Zahl der Einwender. Dennoch wird, z.B. was das Echo in den
Medien angeht, so getan, als seien die Parteien etwas besonderes.
Der Flughafen verweist im Zusammenhang mit seinen Ausbauplänen immer gern auch den
Begriff der Daseinsvorsorge, und zwar in der konkreten Ausgestaltung der Sicherung der
Mobilität und der wirtschaftlichen Prosperität. Geht dieses Moment der Daseinsvorsorge über
das Rechtsgut Gesundheit und körperliche Unversehrtheit? Muss diesen Rechtsgütern nicht
eine besondere (Vor-)Sorge angedeihen? Steht der angeblich öffentliche Auftrag, einen
Flughafen zu unterhalten, über dem Rechtsgut der Gesundheit und der körperlichen
Unversehrtheit? Das Grundgesetz der BRD spricht eine andere Sprache.
So ist es auch unerträglich, wenn die Richter des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in
ihrem Urteil zum gegenwärtigen Betrieb des Frankfurter Flughafens ausführen, was einmal
gebaut und genehmigt sei, dürfen auch beflogen werden, egal, ob die Menge der Flüge und
der dadurch entstehende Lärm seinerzeit bei der Genehmigung vorhersehbar gewesen sei oder
nicht. Sie verweisen die Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich darauf, dass sie in
geschlossenen Räumen sich aufhalten und auch bei geschlossenem Fenster, egal bei welchen
Außen- und Innentemperaturen auch immer, schlafen müssten. Und das "Im Namen des
Volkes". Wir werden sicher in diesem Erörterungstermin noch hören, wie schnell in der Nacht
die Atemluft bei einem durchschnittlich großen Schlafzimmer verbraucht ist und wie bald der
Sauerstoffgehalt unter eine Schwelle sind, die nicht mehr tolerierbar ist.
Und jetzt kommt der Antrag der Fraport auf Erweiterung des Flughafens ins Spiel. Fraport
will ganz harte Fakten schaffen: nämlich Beton in die Landschaft schütten, diesen als
Landebahn benutzen, die Landschaft, insbesondere den Bannwald, dadurch verbrauchen und
viele 10.000 Menschen neu mit Fluglärm überziehen. Dass dem so ist, dürfte hier unstreitig
sein und ergibt sich aus den Antragsunterlagen, aber auch aus den Ergebnissen des sog.
Mediationsverfahrens und dem Entwurf der Änderung des Landesentwicklungsplans.
Wenn es dann um die sonstigen Fakten, die Auswirkungen und die genauen Zahlen des
Vorhabens geht, so bleibt die Antragstellerin aber seltsam unverbindlich: so rechtfertigt sie
die akustische Vermüllung unserer Heimat mit einem Bündel von Lügen, von denen ich nun
einige aufzählen will:
1. Es wird nicht gesagt, bei einer bestimmten Anzahl von jährlichen Flugbewegungen,
etwa den ominösen 657.000 sei Schluss, noch nicht einmal, dass es Schluss bei der
Anzahl der Flugbewegungen sei, die im Jahre 2015, dem Ende des Prognosezeitraums,
erreicht sind. Wir haben von den Vertretern der Fraport AG hier in diesem Raum
ausdrücklich gehört, darauf wolle man sich nicht einlassen. Die Folge: man will uns
hier für dumm verkaufen. Es wird in einigen Jahren wieder so kommen, dass der
Rechtsstandpunkt eingenommen wird: was einmal genehmigt ist, darf auch benutzt
werden, was die technischen Möglichkeiten hergeben. Dass dies Auswirkungen auf
die Menge des Lärms hat, bedarf keiner weiteren Diskussion. Ich bezeichne dies als
die KAPAZITÄTSLÜGE.
2. Wir bekommen noch nicht einmal gesagt "ja wo fliegen sie denn". Die Flugrouten, uns
somit auch die Lärmbelastung des einzelnen, werden gerade nicht planfestgestellt
ich gestatte mir die Bemerkung, dass hier die Katze im (Lärm-)Sack verkauft werden
soll. Es ist also genauso gelogen, wenn hier behauptet wird, die Antragsunterlagen
seien vollständig. Die DFS hat am 31.10.2005 in dieser Halle ausgesagt,
Fluglärmerwartungsgebietskarten existierten für den Ausbaufall überhaupt nicht. Auch
dies ist ein Bestandteil der LÄRMLÜGE.
3. Genauso hat Fraport schon in der Vergangenheit die Leute für dumm verkaufen
wollen und sich der LÄRMLÜGE bedient. Ich war einmal Besucher an dem sog.
Infomobil der Fraport AG, das durch die Lande geschickt wurde. Ich ließ mir die
Flugrouten erklären. Sie sind als dünne Striche in den Karten eingezeichnet. Kein
Wort darüber, dass ein Flugzeug ja nicht auf Schienen fährt wie eine Straßenbahn,
sondern dass auch noch 1,5 Kilometer rechts und links dieser Linien der jeweilige
Pilot völlig ordnungsgemäß fliegt. Dennoch wurde und wird so getan, als handele sich
um eine eng begrenzte Linie, und nicht um ein 3 Kilometer breites Gebiet, das direkt
überflogen werden darf und auch überflogen wird. Und es wird auch noch weiterhin
so getan, als sei neben diesen Linien mit völliger Stille zu rechnen. Wir alle wissen als
eigener Anschauung, auch dort ist es noch laut nicht also leise, sondern lediglich ein
bisschen weniger laut. Solche Darstellungen sind unredlich und, ich wiederhole es
noch einmal, Bestandteil der LÄRMLÜGE.
4. Wir bekommen auch sonst keine Lärmobergrenzen angeboten, wie dies etwa in
Amsterdam geregelt ist. Dort ist bestimmt, dass dann, wenn ein bestimmtes
Lärmkontingent erschöpft ist, ganz einfach Schluss mit der Fliegerei ist. Fraport denkt
nicht daran. Sieht so der "gute Nachbar" aus? Oder, und das ist meine Frage an die
Antragstellerin, ist so eine Kontingentierung geplant? Oder ist auch hier wieder die
bereits angesprochene LÄRMLÜGE im Spiel? Es stimmt doch einfach nicht, wenn
die Lärmbelastung schön geredet wird, etwa mit dem Argument, das Fluggerät werde
doch immer weniger laut, wenn aber gleichzeitig immer mehr Flüge über unseren
Köpfen stattfinden.
5. Wir bekommen auch kein gerichtsfestes
Nachtflugverbot. Es entspricht inzwischen
allgemeiner Meinung, dass diese, wie ich mir ebenfalls gestatte zu sagen
"Beruhigungspille der Mediation für den Bürger" nicht zu halten sein wird, wenn
Fluggesellschaften dagegen klagen und gerade das haben sie ja auch schon
angekündigt. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf die Einwendung der
Lufthansa AG in dem gegenwärtigen Verfahren. In den letzen Tagen hat sich diese
Bemühung der Lufthansa, immerhin dem größten Kunden Fraports, das
Nachtflugverbot nicht wirksam werden zu lassen, noch verstärkt. Die Lufthansa will
ein nicht unerhebliches Aktienpaket an der Antragstellerin erwerben, mit dem offen
ausgesprochenen Ziel, ihr missliebige Feststellungen im Planfeststellungsbeschluss,
also gerade das Nachtflugverbot, zu verhindern. In diesem Zusammenhang frage ich
die Antragstellerin: ist sie bereit, auf die Benutzung der neuen Landebahn zu
verzichten, wenn das Nachflugverbot aufgehoben wird? Oder haben wir es hier mit
der NACHTFLUGVERBOTSLÜGE zu tun?
6. Die KAPAZITÄTSLÜGE, verbunden mit der LÄRMLÜGE, ist in Verbindung mit
der Nichteinführung eines Nachtflugverbotes, um ein weiteres Moment zu ergänzen:
Kommt es nämlich nicht zu einem Nachtflugverbot, so tritt wieder das ein, was schon
so oft angesprochen worden ist: war genehmigt ist, darf auch beflogen werden, und
dann eben auch nachts. Die nicht zutreffenden 657.000 jährlichen Flugbewegungen
basieren nämlich darauf, dass das Mini-Nachtflugverbot kommt. Wird das aber von
den Fluggesellschaften geknackt, so wird ja schließlich während weiterer 6 Stunden
beflogen. Ich frage hier die Antragstellerin: mit welcher Kapazität ist denn dann zu
rechnen?
7. Wir bekommen auch keine Höchstgrenzen der stündlichen Flugbewegungen
zugesichert. Die Zahl 120, die in den Antragsunterlagen enthalten ist, ist auch hier
keinesfalls die Obergrenze. Wir können sicher sein, dass das System immer weiter,
wie es so schön heißt "optimiert" werden wird, und auch hier scheut Fraport eine
verbindliche Festschreibung wie der Teufel das Weihwasser. Also auch hier: Lärm
ohne Ende, eine weitere Folge der KAPAZITÄTSLÜGE.
8. Auch zu dem öffentlichkeitswirksamsten Argument, der Schaffung neuer
Arbeitsplätze, hören wir nichts verbindliches. Es wird alles nur mit Prognosen
begründet zu deren (mangelnder) Qualität ist schon viel zutreffendes gesagt worden.
Herr Amann wird ganz böse, wenn wir ihm diese JOBLÜGE vorhalten, und sie als
das bezeichnen, was sie eben ist, nämlich eine Lüge. Kein Wunder, dass er böse wird:
"getroffener Hund bellt". Es wird auch keine irgendeine geartete Sanktion angeboten,
für den Fall, dass die Prognosen Fraports nicht zutreffen. Ich sehe schon die Vertreter
der Antragsstellerin maliziös grinsen, wenn im Endeffekt weniger Arbeitsplätze als
landauf, landab behauptet, geschaffen werden, nach dem Motto "es war damals halt
unsere Auffassung, und ein (ach so wissenschaftliches Gutachten) (das wir bezahlt
haben) hat es doch so gesagt. Ich frage daher die Antragstellerin: ist sie bereit, für
jeden Arbeitsplatz, der bis 2015 nicht geschaffen wird, einen Betrag von 50.000 Euro
zu zahlen, etwa an eine gemeinnützige Institution oder zur Aufbesserung der Bezüge
von Arbeitslosen? Übrigens: die von mir soeben genannte Zahl ist noch recht niedrig
bemessen, für einen Arbeitsplatz in der Industrie werden häufig viel höhere Summen
aufgewendet, sprich investiert.
9. Auf die Menge des zu erwartenden Lärms wirkt sich genau so aus, dass der bislang
vorhandene Lärm schön gerechnet wird. Es wird fast immer nur die durchschnittliche
Lärmentwicklung, der Dauerschallpegel, betrachtet. Wir alle kennen schon das
Beispiel: Während einer Stunde wird ein Schuss direkt am Ohr einer Person
abgefeuert, es platzt ihr das Trommelfell. Auch die Stunde gemittelt, war es aber
ruhig. Toll, bei einer solchen "Ruhe" schlafen zu sollen. Auch insofern werden wir für
dumm verkauft, es wird falsch gerechnet. Auch das ist eine LÜGE. Lügen sind auch
die seltsamen Abweichungen von den nur berechneten Lärmangaben im Gegensatz zu
dem gemessenen Lärm: in nahezu allen Fällen waren die Messergebnisse höher als die
Berechnungen.
10. Kommen wir nochmals auf den Lärm
zurück: warum sind die Antragsunterlagen noch
immer nicht vollständig? Eine Beantwortung der unbequemen Frage, wie es sich mit
den Auswirkungen von Überflughöhen von weniger als 250 Metern über Grund bei
Wohngebieten und weniger als 60 Metern über Gewerbegebieten verhält, habe ich
eine Antwort nicht mitbekommen. Herr Frank Wolf aus Hattersheim-Eddersheim hat
hier in dieser Halle ausgeführt (wenn ich richtig unterrichtet bin, am 18.10.2005), dass
dieser Teil der Unterlagen einfach nicht vorliegt, obwohl der Fraport AG vom RP
aufgegeben wurde, ein derartiges Überfluggutachten vorzulegen. Es wurde ganz
einfach nicht vorgelegt, geschweige denn in die Antragsunterlagen eingebracht und
öffentlich ausgelegt. Herr Wolf hat hier deswegen den Abbruch des Verfahrens
beantragt, mündlich und schriftlich. Ich bitte das Regierungspräsidium um Mitteilung,
ob und ggfs. wie und mit welcher Begründung dieser Antrag entschieden worden ist.
(Wenn noch nicht entschieden, dem Antrag beitreten). Hier haben wir es wieder mit
der VOLLSTÄNDIGKEITSLÜGE zu tun.
11. Ich möchte noch auf eine weitere Lüge zu sprechen
kommen, und zwar die RISIKOLÜGE.
Diese ist vornehmlich am Beispiel des Ticona-Werkes festzumachen.
Wir haben es schon in der Vergangenheit erlebt, dass ein Flieger die Landebahn ganz
einfach nicht richtig getroffen hat, und Positionsleuchten abrasiert hat. Nun tut man so,
es könne und werde es dies nicht geben.
12. Ich kann noch mit einer weiteren Lüge
aufwarten: es wird nur der Planungshorizont
bis zum Jahr 2015 betrachtet, also nach sachverständiger Schätzung für einen
Zeitraum von 5 oder 6 Jahren nach Fertigstellung der neuen Landebahn. Es wird
gleichsam so getan, als seien nach dem Jahr 2015 die Menschen hier nicht mehr da.
Ein solcher Horizont ist nur als beschränkt zu bezeichnen, und lässt mich
schlussfolgern, dass der Horizont der Verantwortlichen der Antragstellerin ebenso
beschränkt ist. Er manifestiert sich in dieser PLANUNGSLÜGE, denn auf der
anderen Seite wird gesagt, auch über das Jahr 2015 hinaus werde der
Luftverkehrsaufkommen weiter wachsen. Zu dieser Planungslüge gehört auch, dass so
getan wird, als werde nur vorhandene Nachfrage befriedigt. Richtig ist dagegen, dass
mit dem Ausbau wie übrigens auch mit der Stationierung des A 380 Nachfrage erst
erzeugt wird, und dann wieder als Rechtfertigung des Ausbaus herhalten soll. Ein
klassischer Zirkelschluss.
13. Ich habe noch eine weitere Lüge auf Lager: die
MEDIATIONSLÜGE. Schon die Wortwahl für dieses Verfahren war eine
Lüge, denn ein echtes Mediationsverfahren war es nie. Sowohl die Fluggesellschaften,
allen voran die Lufthansa, haben sich von dem Ergebnis der sog. Mediation schon längst
verabschiedet, obwohl sie das sog. Mediationsergebnis seinerzeit mit unterschrieben haben.
Am Beispiel des Mini-Nachtflugverbots habe ich das bereits dargestellt. Aber auch die Fraport AG selbst hat
sich von dem Mediationsergebnis in Teilen verabschiedet, wenn von ihr etwa nunmehr
der Nacht-Grenzwert mit einem Dauerschallpegel von 35 dB(A) "am Ohr des
Schläfers angesetzt wird in der Mediation waren es 3 dB(A) weniger Sie erinnern
sich, 3 dB(A) mehr ist eine Verdoppelung des Lärms. Ein anderes Beispiel ist die
Abkehr von der 100 zu 100-Regel für die Lärmermittlung.
14. Ich werfe sowohl der Antragstellerin als auch den Ausbaubefürwortern aus der Politik
mangelnde Aufrichtigkeit vor und möchte dies am Beispiel meiner Heimatstadt
Offenbach deutlich machen. Käme es zum Bau der Landebahn im Kelsterbacher
Wald, so wäre diese Stadt vollständig unter einem Fluglärmteppich begraben. Offen
zugegeben wird das aber nicht, das Kind wird nicht beim Namen benannt. Man müsste
ja sonst zugeben, dass man einen Teil der Region als minderwertig betrachtet und
gleichsam wegwerfen kann, um der angeblichen Sorge um die Region insgesamt und
deren angeblicher Prosperität willen. Ich möchte Ihnen aber sagen, warum man diese
klare Aussage scheut: natürlich wieder einmal des Geldes wegen. Wäre man
aufrichtig, so müsste man die Stadt umsiedeln. Wir kennen so etwas in den Gebieten
des Braunkohlebergbaus. Hier werden Dörfer umgesiedelt, um weitere
Abbaumöglichkeiten zu schaffen, natürlich auf Kosten des Betreibers des
Kohlebetriebes. Das kann man mit Offenbach ich habe diese Stadt nur als Beispiel
verwendet, das gilt für andere extrem fluglärmbelastete Gebiete entsprechend schon
aus finanziellen, aber sicherlich auch aus politischen Gründen nicht machen (ganz
abgesehen davon, dass sich kaum Platz für ein "neues Offenbach" finden dürfte). Und
wissen Sie, wie man MANGELNDE AUFRICHTIGKEIT auch bezeichnen kann?
Richtig, man verwendet den Begriff der LÜGE.
Ich habe, Sie erinnern sich, diese Punkte nur deswegen
aufgeführt (und es sind nur einige wenige Beispiele für das Verhalten der Fraport AG),
um deutlich zu machen, dass man harte Fakten, den Ausbau schaffen will, aber bei den entstehenden Nachteilen nahezu jegliche
konkrete Aussage scheut und sich in keinster Weise festlegt, sondern vielmehr mit LÜGEN
arbeitet. Ich erlaube mir, dies als unerträgliche Arroganz zu bezeichnen.
Als der Sprecher der Bürgerinitiativen, Herr Heuser, das hiesige Verfahren als "absurdes
Theater" bezeichnete, konnte ich dem auf den ersten Blick nicht folgen. Auf den zweiten
Blick bejahe ich diese Einschätzung voll und ganz. Dieses Verfahren ist schon in seiner
zeitlichen und räumlichen Ausgestaltung ausgesprochen bürgerfeindlich, ich erinnere hier nur
an die Öffnungszeiten und den Ort der Veranstaltung. Wenn es ernst wird, so werden die
Fragen an die Antragstellerin mit einem lapidaren Hinweise auf die Planungsunterlagen
beantwortet. Wenn einmal nachgewiesen wird, dass etwas dort falsch dargestellt ist, und man
nicht mehr umhin kommt, das zuzugeben, so nur der Hinweis "das werden wir berichtigen".
Dass auch die Berichtigung öffentlich auszulegen und zu diskutieren wäre, wird verhindert.
Auch den Vertretern des Regierungspräsidiums habe ich einiges auszusetzen: es werden hier
rechtliche Hinweise gegeben, und so getan, als sei das Recht etwas statisches, einmal gesagtes
gelte für alle Ewigkeit. Die Möglichkeiten besserer Erkenntnis scheint es nicht zu geben. Der
mehrfach begründete Antrag auf Abbruch des Verfahrens wird entweder abgelehnt, oder nicht
beschieden - auch wenn Unterlagen einfach nicht da sind, die von der Behörde selbst
gefordert wurden (siehe das nicht vorhandene Gutachten zu den Auswirkungen von
Überflughöhen von weniger als 250 und 60 Metern über Grund, was ich bereits angesprochen
habe). Ich erlaube mir, dies als OBJEKTIVITÄTSLÜGE zu bezeichnen. Würde es sich hier
um ein redliches und objektives Verfahren handeln, so könnte solche Dinge nicht einfach
übergangen werden.
Und gestatten Sie mir noch eine Bezugnahme auf die Bibel: Dort heißt es "macht Euch die
Erde untertan", aber es heißt nicht "macht Euch Eure Mitmenschen und deren Gehör und
Gesundheit untertan", sondern "bewahrt die Schöpfung".
Offenbar sind wir hier nicht mehr im christlichen Abendland, und auch nicht in Hessen und in
der Bundesrepublik Deutschland, sondern in dem "Fürstentum Fraport". Ich darf Ihnen aber
prophezeien, dass sich dessen Bürgerinnen und Bürger die Attitüden derjenigen, die sich als
selbstherrliche Landesfürsten aufführen, der unheiligen Allianz der Benders, Kochs und
Ypsilantis nicht auf Dauer gefallen lassen werden. Die genannten und ihre Helfershelfer
sollten sich aber nicht zu sicher fühlen. Gerade in den letzten Tagen haben wir einige
Beispiele dafür gehabt, dass die Politiker, die so gerne "BASTA, so wird's gemacht" gesagt
haben und "durchregieren" wollten, plötzlich und unvermittelt sich als ämter- und machtlos
wiedergefunden haben. Im übrigen: Wir, die Bürgerinnen und Bürger, werden uns weiterhin
gegen den Flughafenausbau wehren. Und ich halte es keinesfalls für ausgeschlossen, dass sich
diese Wehrhaftigkeit auch einmal lautstark und sehr kräftig artikuliert. Spätestens dann aber
wären wir wieder bei dem Tagesordnungspunkt "Lärm". Nur für wen dieser Lärm dann
schädlich sein wird, überlasse ich Ihrer Phantasie.
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