Presseberichte von der Demonstration in Offenbach

"Ich kenne heute keinen mehr, der für die Flughafenerweiterung ist"
Etwa 5000 friedliche Demonstranten zogen durch Innenstadt und artikulierten ihren Widerstand

Offenbach Post: 21.10.02

Wohl dem, der gut behütet zur Demo gegen den Flughafenausbau erschien. Pünktlich zum Auftakt setzte fieser Nieselregen ein. Mit inhaltlicher Botschaft schützten sich am Rathaus einige, die gelbe Plastik mit der Aufschrift "Flughafenausbau - Region im Eimer" übergestülpt hatten. Man mag von pragmatischer Symbolkraft sprechen. Die etwa 5000 Ausbaugegner demonstrierten friedlich gegen eine weitere "Verlärmung der Region", setzten auf die Kraft der Argumente und breitgefächerter Front. Sie verlassen sich nicht allein "auf die zahlreichen wohlfundierten Klagen gegen den bestehenden Zustand, so Hartmut Wagner, Sprecher der Bürgeriniative Luftverkehr Offenbach (BIL). "Koch in den Lärmknast", "Flugverkehr vermindern, Ausbau verhindern" - Transparente zeigten in großen Lettern unbeteiligten Passanten, um was es den Aktivisten ging. Allein die Zahl der Demonstranten (1000 wurden im Vorfeld erwartet) zeigte, dass immer mehr Rhein-Main Bürgen sagen: "Uns reicht es." Dies sieht auch die Offenbacherin Marion Eckert so: "Vor zwei Jahren hielten sich Ausbaugegner und -befürwortern etwa die Waage. Heute kenne ich keinen, der für die Flughafenerweiterung ist. Die Hessen wissen, was sie wollen. Das Aktionsbündnis "Offenbach gegen den Flughafenausbau" sprach nach der Demo von einem großen Erfolg der gut 60 zusammengeschlossenen Bürgeriniativen, die zum friedlichen Protest aufgerufen hatten. "Diese Demonstration hat auch für Offenbach ein Zeichen gesetzt und klar gemacht, dass Offenbach sich gemeinsam mit nahezu allen betroffenen Gemeinden mit aller Kraft und am Ende mit Erfolg gegen den geplanten Ausbau des Flughafens wenden wird, der die Lebensqualität und Gesundheit der hier lebenden Menschen über das jetzt schon nahezu unerträgliche Ausmaß hinaus weiter verschlechtern würde", stellt Paul Junck vom Aktionsbündnis fest. Deutliche Worte fand bei der Begrüßung Bündnissprecher Hartmut Wagner, der nochmals eindeutig klarmachte, dass ein Ausbau sich keinesfalls so stark auf den Arbeitsmarkt auswirken werde, wie dies Fraport versprochen hatte: "Denn von den 250000 angeblich neuen Arbeitsplätzen sind in der Mediation nur noch 90000, im Raumordnungsverfahren nur noch 20000 übrig geblieben." Tatsächlich würden aber in den nächsten Jahren laut Fraport zirka 2000 Arbeitsplätze abgebaut. "Arbeitsplätze als Totschlagsargument für den Ausbau haben somit ausgedient", sagte Wagner. Mindestens ebenso wichtig sei es gewesen, durch die Kinderärztin Ulrike Eckert-Tanzki auf die mittlerweile wissenschaftlich eindeutig belegten Gesundheitsschäden durch Fluglärm aufmerksam zu machen. Fluglärm sei nicht nur eine unangenehme Begleiterscheinung, sondern mache eindeutig krank. Am Ende kam dann "der Hammer", wie gerade Offenbacher Teilnehmer bekundeten. "Ernst zu nehmenden Gerüchten zufolge", so Wagner, sei nun wieder in verstärktem Masse die Ausbaualternative Nord/Ost im Schwanheimer Wald in der Diskussion, da die Realisierung der Variante Kelsterbacher Wald durch die unmittelbare Nähe eines Chemiebetriebes gefährdet sei. "Sollte sich dies bewahrheiten, wäre der dies der Supergau für Offenbach und ein Grund mehr, alle Kräfte gegen den Ausbau zu mobilisieren", forderte Junck. Aber schon heute könne man dem "Expansionsbestreben" Fraports an einem zentralen Punkt etwas entgegensetzen. Im Genehmigungsverfahren um die neue Wartehalle für den Großraumjet A380 gehe es letztlich um die nachträgliche Genehmigung aller "nicht ordnungsgemäß genehmigten Bauten auf dem Flughafen-Areal seit 1971". Diesem Versuch, alle Klagen gegen diese ungenehmigten Bauten auf dem "kalten Wege" den Boden zu entziehen, müssten sich die Menschen und Gemeinden in der Region genauso entschieden entgegenstellen wie dem Ausbau selbst. Wagner zweifelte letztlich an der Glaubwürdigkeit von Politik und Wirtschaft: "Wäre man nur ein Fitzelchen glaubhaft, wäre schon im Raumordnungsverfahren ein Nachflugverbot beantragt worden". So bleibt die Frage, wer am Ende im Regen steht.


Alte und neue Kämpen sammeln sich
Tausende beteiligen sich an Offenbacher Grosskundgebung gegen Flughafenausbau / Umzug durch die Stadt

Frankfurter Rundschau: 21.10.02

Gegen einen weiteren Ausbau des Rhein-Main-Flughafens haben sm Samstag mehrere tausend Menschen in Offenbach demonstriert. Unter dem Motte "Eine Region wehrt sich" hatte das Bündnis der Bürgeriniativen gegen die Flughafen zu der Grosskundgebung aufgerufen. Im Gedränge vor dem Offenbacher Rathaus suche Hildegard und Manfred Kehm aus Mörfelden-Walldorf am Samstagvormittag nach Bekannten. "Mensch, ganz schön was los hier", sagt der 68-jährige zu seiner Frau. Mit Transparenten und Plakaten in der Hand sind Tausende dem Aufruf des Bündnisses der rund 60 Bürgeriniativen (BI) gefolgt, um gegen die geplante Erweiterung des Rhein-Main-Flughafen zu protestieren. Auf der Bühne macht die Trommlerinnengruppe "Ritmo ConGas" Wirbel. Das Rentnerpaar Kehr aus der ehemaligen Hochburg gegen den Bau der Startbahn 18 West "hat schon 1978 gegen den Ausbau des Flughafens demonstriert". Es sei die erste Demo - an den Dünen unweit der Okrifteler Strasse - gegen die Waldrodungen und die 18 West gewesen. Ungezählte Kundgebungen und massive Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei folgten. Die Öko- und Friedensbewegung war auf ihrem Höhepunkt. Doch der Widerstand nutzte nichts: 1984 startete der erste Jet auf der neuen Startbahn. Nun steht die nächste Expansion an. Demnächst soll das Planfeststellungsverfahren für eine neue Landebahn eingeleitet werden. Favorit des Flughafenbetreibers Fraport und der hessischen Landesregierung ist die Nordwestvariante bei Kelsterbach - nach den Parallelbahnen und der 18 West wäre das die vierte Piste. "Rund ein Drittel der Leute", sagen die Kehms an diesem regnerischen Samstag, "kennen wir von früher." Und sie entdecken Dina Scherber (73) aus Walldorf am Kuchenstand, die als Mitglied der Küchenbrigade im Startbahnwald die Demonstranten versorgt hatte. Der Sprecher der BI Luftverkehr Offenbach (BIL), Hartmut Wagner, geht davon aus, dass mehr als 5000 Menschen den Weg nach Offenbach gefunden haben. Ein Polizeisprecher schätzt die Zahl etwa auf 2000. Nach der Kundgebung brechen die Teilnehmer zu einem Umzug durch die City auf, um sich dann nochmals vor dem Rathaus zu versammeln. Wagner hatte zuvor die Teilnehmer begrüsst und erwähnt, dass im Süden Offenbachs der Fluglärm unerträglich sei und die Kinder keinen ungestörten Unterricht mehr geniessen könnten. "Ganz besonders schlimm wird es während der Nachtzeit." Die nächtliche Flüge hätten sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Mit dem Bau einer neuen Piste bei Kelsterbach würde dann ganz Offenbach mit Lärm übersät, so Wagner. Dass der Widerstand wächst, zeigen laut Michael Wilk, Sprecher des BI-Bündnisses, die 50000 Einwendungen im Raumordnungsverfahren. Der Flughafenlobby seien Profite wichtiger als die Gesundheit der Menschen. Das BI-Bündnis fordere: keine weitere Bahn, keine Waldrodung, kein neues Terminal, keine Wartungshalle für das Grossraumflugzeug A380 sowie sofortiges Nachtflugverbot von 22 bis 69 Uhr. Dass Fluglärm und Luftschadstoffe krank machen, steht für die Rednerin aus Neu-Isenburg, Kinderärztin Ulrike Eckert-Tanzki, ausser Frage. Die Mörfelden-Walldorfer Pfarrerin Roswitha Velte Hasselhorn sagt: "Die Bewahrung von Lebensgrundlagen und menschenwürdigen Verhältnissen hat Priorität."


Heftige Kritik an Landesregierung
Der Protest gegen den Flughafenausbau formiert sich.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: 20.10.02

Statt wie erwartet 1000 kamen gestern 5000 Demonstranten nach Offenbach Unter dem Motto "Eine Region wehr sich - mit Wissen, Mut und Fantasie gegen den Ausbau" sind gestern mehrere tausend Mensche etwa eine Stunde lang durch die Offenbacher Innenstadt gezogen, bevor sie am Rathaus zur Abschlusskundgebung zusammenkamen. Auf Transparenten und Plakaten waren die wichtigsten Forderungen der Demonstranten zu lesen: "Keine neue Landebahn"; "Sofortiges Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr"; "Keine Wartungshalle für das Grossflugzeug A380". Während der Kundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz griffen Sprecher des Bündnisses der Bürgeriniativen gegen den Flughafenausbau, das zur Protestaktion aufgerufen hatte, die Fraport AG als Flughafenbetreiberin und die hessische Landesregierung heftig an. So warf Michael Wilke der Landesregierung, aber auch dem Darmstädter Regierungspräsidenten vor, beim Flughafenausbau nicht neutral zu sein. Die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik hätten den Menschen in der Region "den Kampf angesagt" und verfolgten die menschenfeindliche Ideologie des grenzenlosen Wachstums". Profite seien offenbar wichtiger als die Gesundheit der Bürger. Ausserdem forderte Wilke, den Frankfurter Flughafen nicht länger durch die amerikanische Luftwaffe nutzen zu lassen. Von den mit Munition und Waffen beladenen Galaxy-Maschinen gehe eine "ganz besondere Gefahr aus". Hartmut Wagner, Sprecher der Bürgeriniative Luftverkehr Offenbach, bezeichnete die gegenwärtige Belastung des Rhein-Main-Gebiets durch Fluglärm bereits als "unhaltbar". Würde die favorisierte neue Landebahn im Kelsterbacher Wald gebaut, wäre ganz Offenbach "verlärmt". Schon jetzt überquerten die Maschinen in der Hauptflugzeit die südlichen Stadtteile im Minutenabstand. Die Demonstrationsteilnehmer waren aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet angereist. Für einen 64 Jahre alten Gymnasiallehrer aus Mainz-Ginsheim zum Beispiel war es die erste derartige Aktion. Er hatte sich zur Teilnahme entschlossen, weil er es unerträglich findet, dass schon vor fünf Uhr früh Flugzeuge in der Warteschleife über seinem Viertel kreisten. Aus Weilrod im Taunus kam eine Aktivistengruppe der dortigen Bürgeriniative, die mehr als 100 Mitglieder zählt. In der 600 Meter hoch gelegenen Gemeinde wird, wie eine Teilnehmerin sagte, "das letzte Paradies zerstört", seit im vorigen Jahr die Anflugrouten geändert worden seien. Auf einem kleine Plakat hatte eine Offenbachering, die auf dem Buchhügel unter der Einflugschneise lebt und nachts wegen des Fluglärms nicht ruhig schlafen kann, ihren Protest aufgeschrieben und an die Jacke geheftet: "Ich ziehe auch weg. Meine Verwandtschaft ist schon weggezogen."

Stopp Fluglaerm

OF - Offenbach ohne Fluglärm