Informationen zu Klagemöglichkeiten gegen den Flughafen
Das Genehmigungsverfahren zum Flughafenausbau
Das Genehmigungsverfahren zum Flughafenausbau ist komplex. Eine Übersicht bietet:
www.baumann-krueger.eiding.de
Einflussfaktoren in den weiteren Verfahrensschritten zum Ausbau des Flughafens Frankfurt
Vortrag auf dem Symposium "Aktienmarkt und Luftverkehr am 1. März 2001 in der Universität Frankfurt
Prof. Dr. Martin Führ, FH Darmstadt
In den letzten Wochen ist es um die Ausbaupläne der Flughafen AG etwas ruhiger geworden. Nach dem Beschluß der Landtagsmehrheit für den Ausbau und dem Votum von Ministerpräsident Koch und den Fraktionen der Wiesbadener Koalition, haben vielleicht manche den Eindruck gewonnen, der Ausbau sei - erstens - bereits beschlossene Sache, zweitens werde in jedem Fall die Nordbahn gebaut und daran werde sich - drittens - auch gar nichts mehr ändern.
In meinem Beitrag möchte ich aufzeigen, daß alle drei Annahmen unzutreffend sind. Daraus ergibt sich dann zugleich, daß es noch eine Reihe von Faktoren gibt, die den weiteren Gang der Dinge beeinflussen können.
- Entscheidungsbefugnis
Die Entscheidung über das "Ob" und das "Wie" eines Ausbaus hat weitreichende Auswirkungen. Nicht nur für die Zukunft des Flughafens, sondern auch für die ganze Region und die dort lebenden Menschen, die in ihren Grundrechten betroffen sind. Eingriffe in die Grundrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage.
Folglich entscheidet nicht der Vorstand der FAG und auch nicht der Aufsichtsrat über den Ausbau. Das ist klar, weil nicht einmal über den Bau einer Garage der Bauherr allein entscheidet.
Es entscheidet aber auch nicht der Landtag; und auch nicht der Ministerpräsident. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung liegt diese Befugnis allein in den Händen der zuständigen Behörde. Ihre Aufgabe ist es, die Belange des Gemeinwohls und die Beeinträchtigungen der Grundrechte zunächst einmal zu ermitteln und dann eine wohlabgewogene Entscheidung zu treffen. Weil hier Grundrechte von hohem Rang auf dem Spiel stehen - Leben und Gesundheit sind nach dem Bundesverfassungsgericht der "Höchstwert der Verfassung", schreiben die Gesetze ein aufwendiges, auf mehrere Stufen verteiltes Verfahren der Ermittlung, der Bewertung und schließlich der Abwägung vor. Ziel ist es, eine "gemeinwohlrichtige" und zugleich "grundrechtsschonende" Lösung zu finden.
Davon ist die Ausbauplanung des Flughafens aber noch weit entfernt.
- Aktueller Verfahrensstand
- Politische Aussagen
Die Grundsatz-Beschlüsse des Landtags zum Ausbau und das Votum für die Nordbahn sind allein politischer Natur. Das bedeutet nicht, daß sie ohne Gewicht sind. Aber sie nehmen die Entscheidung nicht vorweg. Und sie enthalten eine Bedingung, die noch problematisch werden könnte: Das von den Mediatoren vorgeschlagene Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr.
- Landesentwicklungsplan
Der im letzten Herbst verabschiedete Landesentwicklungsplan enthält, dies ist zu betonen, keine verbindlichen Vorgaben. Er weist allgemein auf die Bedeutung des Flughafens hin. Und er formuliert als Ziel in allgemeiner Form die Erweiterung des Start- und Landebahnsystems, betont aber zugleich, hierbei "ist auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen". Konkret und rechtlich verbindlich wird es erst in den folgenden Schritten:
- Raumordnungsverfahren
Zunächst ist ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Dieses beginnt - wie jedes behördliche Verfahren - mit einem Antrag. Einen solchen Antrag der FAG gibt es bislang noch nicht. In diesen Tagen hat der Regierungspräsident die Flughafen-Gesellschaft zunächst einmal darüber in Kenntnis gesetzt, was alles in dem Antrag abzuarbeiten sein wird. Die Liste der zu prüfenden Punkte umfaßt allein 22 Seiten
(sie ist zugänglich unter: www.unser-forum.de/Flughafen).
Und sie hat - wie der Regierungspräsident abschließend betont - nur vorläufigen Charakter. Weitere Punkte können durchaus hinzukommen.
Erst wenn der Antrag vorliegt, nimmt das Verfahren seinen Lauf. Darin wird man auch sehen, was Gegenstand des Antrags ist; ob also die FAG vorbehaltlos den Bau einer neuen Bahn beantragt oder ob sie zugleich die Einführung eines Nachtflugverbotes beantragt.
An dieser Stelle liegt aber bereits ein nicht unbeträchtlicher Sprengstoff - Sprengstoff in politischer, aber auch in juristischer Hinsicht. Warum?
Der Ministerpräsident hat sich mit seinem Wort dafür verbürgt, daß der Ausbau zwingend mit nächtlichen Flugbeschränkungen gekoppelt wird. Er hat dies - gestützt auf einen Beschluß des Landtags - nicht nur in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident getan, sondern auch als Vorsitzender des Aufsichtsrates der FAG. In dieser Funktion hat er einen Aufsichtsratsbeschluß herbeigeführt, der diese Verknüpfung ebenfalls enthält. Beantragt nun der Vorstand der FAG im Raumordnungsverfahren einen Ausbau ohne diese Einschränkung, dann setzt er sich über den Aufsichtsratsbeschluß hinweg. Zugleich fällt damit aber auch eine der zentralen Voraussetzungen weg, auf der das positive, politische Votum des Landtags und der Fraktionen beruht. Man darf gespannt sein, wie diese Kontroverse zwischen Vorstand auf der einen, Aufsichtsrat und Politik auf der anderen Seite ausgehen wird.
Für das weitere behördliche Verfahren - um darauf zurückzukommen - bedeutet dies jedoch, daß ein Ausbau ohne jede Nachtflugbeschränkung zum Gegenstand von Ermittlung und Abwägung zu machen ist. Die Aufgabe der Behörde wird dadurch jedenfalls nicht einfacher. Das Grundrecht auf Gesundheit - besonders relevant dabei: der nächtliche Erholungsschlaf - wird in besonderer Weise beeinträchtigt. Weiche Untersuchungen noch notwendig sein werden, um hier alle abwägungsrelevanten Punkte zu ermitteln, läßt sich bislang noch gar nicht absehen. Und wie die Abwägung aussehen wird, erst recht nicht.
- Weitere Verfahrensschritte
Das Raumordnungsverfahren ist aber nur der erste Schritt in der planungsrechtlichen Stufenfolge. Anschließend folgen noch das Planfeststellungsverfahren, die luftverkehrsrechtliche Genehmigung und die Routenfestlegung. In allen gibt es erneut einen Ermittlungen, Bewertungs- und Abwägungsbedarf. Für alle Verfahren sind noch entsprechende Detailuntersuchungen vorzunehmen, die noch zu Überraschungen führen können. Damit können einzelne Ausbauvarianten dann wieder grundsätzlich in Frage, gestellt werden.
Hinzuweisen ist selbstverständlich darauf, daß in allen Planungsstufen Rechtsmittel möglich sind. Deren zeitlicher Verlauf und deren Ausgang ist bei einer derart komplexen und zugleich umstrittenen Materie kaum vorherzusagen.
- Alternativen-Prüfung
In der öffentlichen Debatte gewinnt man den Eindruck, es komme nur noch die Landebahn im Kelsterbacher Wald in Betracht. Dieser Eindruck ist falsch. Und zwar aus mehreren Gründen. Es gibt zwar Aussagen des Ministerpräsidenten und auch der Fraktionen von CDU, SPD und FDP im Landtag. Diese Aussagen sind jedoch für die weiteren Verfahrensschritte juristisch ohne jede Bedeutung. Die Behörden haben allein nach Recht und Gesetz zu prüfen. Der fachlich zuständige Wirtschaftsministcr zeigt sich daher zu Recht sehr zurückhaltend. Und die FAG jedenfalls im Raumordnungsverfahren alle Varianten zum Gegenstand der Planung machen. Selbst wenn sich dabei eine der Varianten als vorzugswürdig herausschälen sollte, sind die anderen Varianten im Rahmen der planungsrechtlichen Alternativenprüfung weiterhin zu betrachten.
Ob und an welcher Stelle die Behörde einen Ausbau für zulässig hält - und nur auf die Abwägung der Behörde kommt es an - weiß man erst dann, wenn der Bescheid ergangen ist. Ob dann tatsächlich noch die Landebahn bei Kelsterbach auf der Tagesordnung steht, bleibt abzuwarten. Zweifel sind durchaus angebracht: Denn dann müßten die Flugzeuge im Landeanflug das Vogelschutzgebiet an der Main-Staustufe Eddersheim mit ihrer bedeutenden Vogelinsel künftig in ca. 115 m Höhe überfliegen. Damit ist diese Bahn möglicherweise bereits aus Gründen der Flugsicherheit aus dem Rennen. Auch ist hier mit besonderer Sorgfall das EG-Recht mit seinen Vogelschutzbestimmungen zu beachten, wie sich jüngst am Erweiterungsvorhabcn des Airbus-Werkes in Hamburg gezeigt hat.
- Einfluß des EG-Rechts
Juristisch diffizil ist auch die Verknüpfung mit der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese enthält inhaltliche und prozedurale Anforderungen. Es gibt begründete Zweifel, ob das mehrstufige Planungsverfahren im deutschen Recht diesen Anforderungen im vollen Umfang gerecht wird. Es ist daher nicht besonders mutig, die Vorhersage zu wagen, daß nicht nur das Bundesverwaltungsgericht und wahrscheinlich auch das Bundesverfassungsgericht sich noch mit den Rechtsfragen des Ausbaus zu befassen hat, sondern auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg - vorausgesetzt natürlich, es gibt einen verbindlichen Abschluß der genannten Verfahren.
- Schadensersatzforderungen
Selbst wenn man unterstellt, es komme zu einem rechtlich verbindlichen Ausbaubeschluß und dieser habe auch vor den Verwaltungsgerichten Bestand, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Mit der Zunahme an Lärm kommt es zwangsläufig zu Wertverlusten von Immobilien, Diese auszugleichen, ist Aufgabe des Fluglärmgesetzes. Die geltende Fassung ist nach übereinstimmender Auffassung überholt. Um die Neufassung, die darin festgelegten Lärm-Schwellen wird noch gerungen. Davon und von der letztlich genehmigten Ausbauvariante wird es abhängen, wie hoch die Ausgleichszahlungen letztlich ausfallen werden. An manchen Stellen spricht man schon von ein Summe, die in der Größenordnung eines zweistelligen Milliardenbetrages (auch in Euro) liegen kam.
Perspektiven
Damit sind wir erneut bei der Frage nach den weiteren Perspektiven angekommen. Juristisch betrachtet, stehen wir erst ganz am Anfang eines langen Weges. Dabei hat die Reise eigentlich noch nicht einmal begonnen. Das ganze Verfahren befindet sich gewissermaßen noch in der "Warteschleife". Wie viele Runden noch über dem juristisch eng gestrickten Planungsrecht zu drehen sind, bevor mm überhaupt zum verfahrensrechtlichen Landeanflug ansetzen kann, ist noch offen. An welcher Stelle man aufsetzen wird und welche Böen die Stabilität des Vorhabens gefährden könnten, ist juristisch noch offen. Fest steht nur, daß man sich auf raue Winde einzustellen hat.
Auch auf der politischen Ebene könnte es durchaus noch einmal turbulent werden. Damit meine ich nicht die kommunalpolitische Ebene, wo sich an vielen Stellen quer zu den klassisschen Konfrontationslinien Übereinstimmungen zeigen. Wenn plötzlich eine andere Bahn wieder an erster Stelle steht, verschieben sich rasch die politischen Konstellationen. Und wenn die Luftverkehrsgesellschaften an ihrem Widerstand gegen drastische Nachtflugeinschränkungen festhalten, dann entfällt auch eine ganz wesentliche Voraussetzung der zustimmenden Voten im politischen Raum. Auch hier darf man noch auf Überraschungen gespannt sein.
Prozessrisiko für europäische Flughäfen:
Lehren aus anhängigen Verfahren
MATTHIAS M. MÖLLER - MEINECKE
RECHTSANWALT. FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT
Symposium Aktienmarkt und Luftverkehr
1. März 2001 / Universität Frankfurt am Main
Im Mai 2001 werden die Aktien der Flughafen Frankfurt am Main AG durch einen Börsenprospekt jedermann zum Kauf angeboten werden. Die Bewertung des Wertes des Unternehmens wird wohl auch durch die Risiken
- von Ersatzforderungen der Anwohner wegen Schädigungen ihrer Gesundheit, ihres Eigentums und ihrer Gewerbebetriebe durch Fluglärm,
- der Erweiterungsplanung einer Landebahn im Kelsterbacher Wald und
- der Genehmigung des Neubaues und Betriebes eines neuen internationalen Verkehrsflughafens östlich von Hannover mit einem 24-Stunden-Betrieb beeinflusst.
Dazu einige Thesen:
zu a) Schadensersatzansprüche aus dem gegenwärtigen Flughafenbetrieb
- Der Frankfurter Flughafens wird in der im Jahr 2000 erreichten Kapazitätsauslastung ohne luftverkehrsrechtliche Genehmigung und Planfeststellung betrieben, weil die lärmrelevanten Prognosezahlen um 39 % überschritten werden und die Genehmigungsbehörde nur bezüglich der Prognosezahlen von 70 Flugbewegungen/Spitzenstunde ermittelt hat, dass durch den Fluglärm die Gesundheit der Anwohner nicht beeinträchtigt wird.
Flughafen Frankfurt |
1969 |
PFB Prognose 1980 |
Real 2000 |
Überschreitung |
Passagiere (PAX)/a |
8 Mio |
30,7 Mio |
49 Mio |
60 % |
Flugbewegungen/h |
40 |
70 |
97 |
39 % |
- Die mit dem die Prognose überschreitenden Verkehrsaufkommen und insbesondere mit der rapiden Steigerung der Nachtflüge verbundenen Lärmimmissionen schädigen Hundertausende von Anwohnem in ihrer Gesundheit und in ihrem Wohneigentum sowie in eingerichteten und augeübten Gewerbebetrieben. Diesen Betroffenen stehen daher Schadensersatzansprüche zu.
- Dreißig Musterkläger betreiben seit April 1997 - mit der Risikoabdeckung durch ihre Rechtsschutzversicherungen vor dem Landgericht Hanau ihre Ersatzansprüche wegen Gesundheitsschäden und der Minderung des Grundstückswertes durch Fluglärm sowie Schallschutzmaßnahmen von zurückhaltend geschätzten 1,1 Mio DM u.a. gegen die Flughafen Frankfurt am Main Aktiengesellschaft; in diesem Frühjahr wird eine vom Gericht angeordnete mehrmonatige sachverständige Messung des Fluglärms abgeschlossen werden.
Rechtsschutz Dritter gegen Flughafenlärm
Rechtsanwälte Dr. Reiner Geulen und Remo Klinger, Berlin
IV. Ergebnis
Gegenüber der wesentlichen Binnenerweiterung eines Flughafens hat der Drittbetroffene einen - gegebenenfalls durch verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage durchsetzbaren - Anspruch darauf, dass seine Interessen auf Schutz vor Fluglärm neu abgewogen werden. Ist die Grenze der Zumutbarkeit überschritten, kann im Einzelfall der (Teil-)Widerruf der Planfeststellung verlangt werden. Darüber hinaus kann ein Planergänzungsanspruch etwa mit dem Ziel der Beschränkung oder Einstellung von Nachtflügen geltend gemacht werden. Soweit die Planfeststellung des Flughafens drittschützende Regelungen zum Schutz vor Fluglärm enthält, kann der Drittbetroffene deren Einhaltung verlangen.
Die gesetzlichen Regelungsdefizite des Schutzes vor Fluglärm haben die Schwelle der verfassungsrechtlichen Handlungspflicht des Gesetzgebers erreicht. Auch das Richtlinienvorhaben der Europäischen Kommission zum Schutz vor Umgebungslärm zwingt zum Handeln. Durch eine normative Festlegung von Grenzwerten ist noch in dieser Legislaturperiode eine qualitative Verbesserung des aktiven Lärmschutzes für bestehende Flughäfen geboten; erforderlich sind insbesondere Maßnahmen des Betriebsreglements zur Einschränkung von Nachtflügen.
Auszug aus: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 14 (2001), 1038-1039.
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