Wird Ticona zum Stolperstein für den Flughafenausbau?

Bericht in hr-online vom 30.01.04


Die bisherigen Pläne zum Ausbau des Frankfurter Flughafens stoßen jetzt auch beim Bund auf Widerspruch. Eine Kommission von Experten hat sich am Freitag gegen die bevorzugte Nord-West Variante über das Chemiewerk Ticona ausgesprochen. Ministerpräsident und Fraport sehen das anders.

Die Pläne seien "mit dem Betrieb der existierenden Anlagen am Standort von Ticona nicht vereinbar", sagte der Vorsitzende der Störfallkommission, Christian Jochum in Bonn. Das Risiko eines Absturzes läge nach einem Gutachten des TÜV Pfalz bei einem Fall in 25.000 Jahren. Dabei wäre mit einem Totalverlust des Werks und mit rund 100 Toten allein auf dem Gelände zu rechnen – ein nach internationalen Standards zu hohes Risiko, befindet die Störfallkommission.

Koch: Chemiewerk notfalls schließen

Ministerpräsident Roland Koch (CDU) reagierte prompt: Notfalls müsse das zum Celanese-Konzern gehörende Chemiewerk geschlossen werden, erklärte er im Anschluss an die Anhörung. Es bleibe beim politischen Ja zum Flughafenausbau. Falls die Firma dies wolle, könne man ihr möglicherweise andere Flächen im Rhein-Main-Gebiet anbieten, sagte Koch im osthessischen Freigericht. Da Ticona auf eine Erdöl-Pipeline angewiesen sei, komme das Gelände der früheren Hoechst AG in Frankfurt in Frage. "Das Unternehmen hat zunächst eine Entscheidung zu treffen, die sich nach dem Gebot des Gemeinwohls richtet und sich nicht danach richten kann, wie erziele ich einen möglichst hohen Pokerpreis", erklärte Koch. Celanese-Vorstandsmitglied Andreas Pohlmann sagte: "Unsere von Anfang an vorgetragenen Sicherheitsbedenken gegen die Nordwestplanung wurden von enem unabhängigen Expertengremium bestätigt".

Fraport: "Nicht überzeugend"

Verwundert zeigte sich der Betreiber des Flughafens Fraport. In einer Mitteilung heißt es: "Die gegebene Begründung überzeugt nicht". Verschiedene Gutachten kämen zu einem anderen Ergebnis. Sie sähen wesentlich weniger Probleme bei der Vereinbarkeit von Nordwest-Bahn mit dem Chemiewerk.

Kontroverse Reaktionen

Unterstützung bekam Fraport von der Vereinigung der Hessischen Unternehmerverbände. "Die Region kann sich keine endlose Diskussion dazu mehr leisten, ohne das Wachstum zu gefährden", sagte Hauptgeschäftsführer Volker Fasbender. Der Präsident der IHK Frankfurt, Wolf Klinz, sprach sich hingegen dafür aus, neben der Ticona-Verlegung gleichrangig alle bisherigen Trassenvorschläge erneut auf den Tisch zu legen. Magareta Wolf, Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, riet der hessischen Landesregierung, nicht weiter auf den Ausbauplänen zu beharren. Dies könne sich als Bumerang für den Wirtschaftsstandort Südhessen erweisen: "Hier geht es um Akzeptanz und Glaubwürdigkeit bei Bevölkerung und ansässiger Wirtschaft." Die Ausbaugegner sehen dagegen keine Chance mehr für die Nordwestbahn. "Ticona wird zum Menetekel für den Ausbau", erklärte die Gruppe der Flughafen-Ausbau-Gegner (FAG) im Frankfurter Römer. "Ministerpräsident Roland Koch ist mit seiner frühzeitigen politischen Empfehlung im Planungschaos gelandet", kommentierte der BUND die Entscheidung. Der Rüsselsheimer Oberbürgermeister Stefan Gieltowski (SPD) forderte Fraport auf, die Planfeststellung zu stoppen.

Offizieller Bericht am 18. Februar

Die Störfallkommission will ihre Stellungnahme am 18.Februar offiziell vorstellen. Diese hat allerdings keine bindende Wirkung. Ticona mit rund 1.000 Mitarbeitern liegt in direkter Verlängerung der geplanten Bahn und würde von landenden Maschinen in weniger als 100 Meter Höhe überflogen. Die letzte Entscheidung über Bau oder Nichtbau der Landebahn liegt beim Land Hessen.

Frankfurter Stadtparlament mehrheitlich für Klage

Die Stadt Frankfurt soll nach dem Willen ihres Parlaments gegen die geplante Erweiterung des Flughafens klagen. Die Verordnetenkammer wies am Donnerstagabend mit den Stimmen von SPD, Grünen, FAG, PDS und Europaliste einen Widerspruch von Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) gegen die Klage zurück. Roth hatte vor der Abstimmung auf den wirtschaftlichen Schaden für die Stadt und die Region verwiesen, wenn Frankfurt gegen den Ausbau klagen würde. Das Stadtparlament will die Klage nach dem derzeit laufenden Planfeststellungsverfahren einreichen.

Der Originalbeitrag kann vorübergehend unter hr-online abgerufen werden:
http://www.hr-online.de/website/themen/hessen/hessen_10_einzel.jsp?key=hessen_10absaetze_736103


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