Der Börsengang

Fraport unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten betrachtet

Eine Serie in 6 Teilen von Ralf Roth - Teil 1:

  1. Das Wirtschaftsklima hat sich abgekühlt - Das Ende der "Goldilock-Ökonomie"
  2. Die Umweltschäden sind gravierend - Fliegen ist zu billig
  3. Die extreme Subventionierung des Luftverkehrs wird fallen
  4. Der Energieträger Öl ist teurer geworden und damit werden auch die Flugpreise steigen
  5. Fliegen ist extrem unkomfortabel - die Fluggesellschaften müssen nachrüsten
  6. Investitionen in Verkehrsinfrastruktur  waren schon oft ein Milliardengrab - und rasch sind ein paar Milliarden verloren

Das Wirtschaftsklima hat sich abgekühlt - Das Ende der "Goldilock-Ökonomie"

Fraport geht in einer ungünstigen Zeit an die Börse. Das Unternehmen möchte expandieren. Es hat sich bei den Politikern einen noch größeren Flughafen bestellt, jedoch in den vergangenen Boom-Jahren versäumt, für den Ausbau Kapitalrücklagen zu bilden. In Ermangelung eines eigenen Ertragspotentials für den Ausbau braucht Fraport das Geld der Aktionäre. In der Vorbereitung zum Gang an die Börse hat die Aktiengesellschaft im Besitz des Bundes, des Landes Hessens und der Stadt Frankfurt alles getan, um zu glänzen.

Die Fraport AG und ihr folgend die Mediatoren präsentierten Zahlen für die Zukunft und zur Vergangenheit: So werde der Flugverkehr um mindestens 5 Prozent pro Jahr wachsen.1) Tatsächlich sind die Passagier- und Frachtraten im Jahre 2000 auf 49,4 Mio. bzw. 1,6 Mio. Tonnen gestiegen und die Zahl der Flugbewegungen ist auf 459.000 geklettert.2)

Die FAG erweckt den Schein eines sicheren Anlagefeldes. Aber weist das von der FAG gezeichnete Szenario wirklich in eine rosige Zukunft? Oberflächlich scheint alles zu stimmen, doch leider ist nicht alles Gold, was mit Macht glänzen will.

Was die im Mediationsbericht berücksichtigten Experten im Winter 1999/2000 noch nicht wissen konnten: Das internationale Wirtschaftsklima hat sich im Jahre 2000 grundlegend verändert. Der Flughafenausbau basiert auf Flugverkehrsprognosen der neunziger Jahre. Tatsächlich nahm in diesem Jahrzehnt der internationale Flugverkehr kontinuierlich zu. Doch boomte in diesem Jahrzehnt auch die Wirtschaft und die steigenden Erträge der weltweit operierenden Unternehmen wie auch der privaten Haushalte bildeten in Europa und Nordamerika die zentrale Rahmenbedingung für die Expansion der internationalen Verkehrs. Dieser Trend wurde 2000 nachhaltig gebrochen. Sprachen die Wirtschaftsanalytiker anfangs beschwichtigend von "Dellen", die rasch ausgebügelt würden, ist mittlerweile ein deutliches Nachlassen der Konjunktur unübersehbar: "Dämpfende Effekte gehen in diesem Jahr vor allem von der Abschwächung der US-Konjunktur sowie der weiterhin restriktiv wirkenden Geldpolitik der EZB aus."3) 

Die Schlagzeilen auf den Wirtschaftsseiten der großen Zeitungen sprechen für sich.4)

Diese Schubumkehr im globalen Wirtschaftstrend war seit Ende des letzten Jahres absehbar. Wenn "das Wachstum der Weltwirtschaft sich halbiert", gerade die Frankfurter Börse zu einer "Geldschluckmaschine"  verkommt, "Deutschland unter die Räder kommt" und eine "Erwartungsrezession" wahrscheinlich wird, dann wird dies nicht ohne Auswirkungen auf die Steigerungsraten im Luftverkehr bleiben. 

Zahlreiche Fluggesellschaften haben dies mittlerweile auch schon zu spüren bekommen. Sie sind in die Krise geraten, rutschen in rote Ergebnis-Zahlen, reduzieren ihr Flugangebot und bauen Arbeitsplätze ab. Dazu gehören mittlerweile:

  • Istanbul Airlines
  • British Airways 
  • KLM
  • United Airlines
  • Sabena
  • TWA
  • Swissair
  • Delta Airlines
  • Northwest
  • Iberia
  • Alitalia
  • El Al 
  • Aerolineas Argentinas
  • Aer Lingus
  • Japan Airlines
  • Korea Air Co.
  • Cathy Pacific
  • Singapore Airlines
  • AOM
  • Air Liberté
  • American Airlines
  • Olympic Airways
  • Lufthansa

Bereits im November verlangte die FAZ: "Europas Fluglinien müssen konsolidieren".5) Wie dünn die Gewinnmarge der Luftfahrtgesellschaften mittlerweile geworden ist zeigt mittlerweile auch die  Lufthansa. Konnte das Unternehmen bereits im vergangenen Jahr nicht mehr an die Gewinne von 1998 anknüpfen, so brach der Gewinn "im ersten Quartel"  - also noch vor dem Streik - "stark ein". Mittlerweile mußte auch die Gewinnprognose für das Jahr 2001 deutlich gesenkt werden. Der Aktienkurs befindet sich im "Sinkflug", was den Vorstand veranlaßt, die Notbremse zu ziehen. Er kündigt umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen an und Gerüchte über den Abbau von Stellen wollen nicht verstummen.6)  

Besonders betroffen ist Lufthansa Cargo: "Die schwächere Konjunktur in den Vereinigten Staaten und Japan führte, bei Lufthansa Cargo zu geringerer transportierter Menge (minus 3,7 Prozent) und geringerem Absatz (minus 5,0 Prozent). Die zusätzliche Frachtkapazität der Passagiermaschinen erhöhte das Angebot um 5,3 Prozent, der Frachtnutzladefaktor lag bei 59,6 Prozent, das sind 6,5 Prozentpunkte weniger als im Vorjahresmonat. Die Gesamtauslastung (Passage und Fracht) betrug 66,4 Prozent, 4,6 Prozentpunkte weniger als im April 2000."

Der Umsatzrückgang hält auch im 2. Quartal an:

"Im zweiten Halbjahr sei man jedoch vom rapiden Rückgang des Frachtgeschäfts aus Nordamerika um fast 25 Prozent völlig überrascht worden, sagt Otto. Die Frachtmenge aus Asien sei auf einigen Märkten sogar um mehr als 25 Prozent zurückgegangen. Im zweiten Quartal seien daher so hohe Verluste geschrieben worden, daß für das gesamte erste Halbjahr ein negatives Ergebnis angefallen ist."7)
Die Lufthansa hat für die Tarifauseinandersetzung mit seinen Piloten kaum noch Reserven. Der Vorstand beschrieb seine wirtschaftliche Substanz Mitte April recht deutlich: "Drei Passagiere pro Flugzeug weniger, zwei Prozent Kostensteigerung über Plan und zehn Mark weniger Erlös pro Ticket genügen, das Ergebnis auf Null zu senken."8) Genau dies geschieht gerade:

"Das Verkehrsaufkommen der europäischen Fluggesellschaften ist im April im Vergleich zum entsprechenden Monat des Vorjahres um 0,2 Prozent gesunken und damit erstmals seit einem Jahrzehnt gesunken. Dies teilte die Vereinigung europäischer Fluggesellschaften (AEA) mit. Die Entwicklung verlief bei den 30 Mitgliedsgesellschaften sehr unterschiedlich. So wiesen nur sechs Gesellschaften bei dem aus der Kilometerleistung und den Passagierzahlen errechneten Aufkommen einen Rückgang auf; besonders hart traf es mit einem Minus von 13,1 Prozent den Marktführer British Airways sowie die italienische Alitalia (Rückgang um 6,9 Prozent). Dagegen verzeichneten Air France (plus 7,6 Prozent), die Deutsche Lufthansa (2,1 Prozent) sowie die niederländische KLM (1,1 Prozent) Zunahmen. Günstig entwickelte sich im Durchschnitt aller AEA-Mitglieder der innereuropäische Verkehr mit einem Zuwachs um 6,5 Prozent. Auf allen anderen Routen, darunter besonders bei der Nordatlantikquerung, schrumpfte das Aufkommen dagegen in einer Größenordnung von vier bis fünf Prozentpunkten. Die Kapazitätsauslastung der Maschinen sank um 2,1 Prozentpunkte auf 72,7 Prozent. Noch deutlicher - um 2,5 Prozentpunkte verringerte sich das Frachtaufkommen der AEA-Mitglieder im Jahresvergleich."9)

Der Rückgang im Luftverkehrsaufkommen paart sich mit Kostensteigerungen in dreistelligen Millionenhöhe durch den Streik der Flugkapitäne. Deutliche Margenreduzierungen kommen auf das Unternehmen zu. Mit den Fluggesellschaften - insbesondere mit der Lufthansa aber steht und fällt Fraport. Auf ein Fallen weisen noch andere Faktoren hin.

Anmerkungen

  1. "Alle Prognosen stimmen darin überein, dass die Verkehrsleistung (gemessen in Personen- oder Tonnen-Kilometern) weltweit in den nächsten 15 Jahren auf das 2,5fache wachsen wird." Bericht Mediation Flughafen Frankfurt/Main. Frankfurt am Main 2000, 14.
  2. Vgl. Beitrag "Frankfurter Flughafen verbucht Rekord von 50 Millionen Passagiere". FAZ v. 5. Januar 2001.
  3. DIW-Wochenbericht 1/01 Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung.
  4. Weitere Meldungen: Der größte Sturz des Dow Jones nach Indexpunkten und Fünf Billionen weniger, in: FAZ v. 17. April 2000; Zieht ein Kurssturz an Wall Street Amerika in die Rezension?, in: FAZ v. 20. April 2000; Die Lage am Neuen Markt spitzt sich dramatisch zu, in: FAZ v. 24. Mai 2000; Der Risikoappetit der Anleger ist stark gesunken, in: FAZ v. 22. Oktober 2000; An den Börsen werden enorme Vermögen vernichtet, in: FAZ v. 27. November 2000; Mit Unbehagen ins Börsenjahr 2001, in: FAZ v. 2. Januar 2001; Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, in: FAZ v. 19. Januar 2001; Wirtschaft wächst langsamer - Institute und Banken korrigieren ihre Konjunkturprognosen, in: FR v. 13. März 2001; Unsicherheit beherrscht Börsen - Ausverkauf der deutschen Aktien geht in die nächst Runde, in: FR v. 15. März 2001; Kursrutsch an den Weltbörsen nimmt kein Ende, in: FAZ v. 16. März 2001; Talfahrt der Aktien löst Konfusion an der Frankfurter Börse aus, in: FAZ v. 15. März 2001; Die Korrektur eines siebenjährigen Aufwärtstrends, in: FAZ v. 23. März 2001;  Im Salami-Crash fällt an der Börse eine dicke Scheibe, in: FR v. 23. März 2001; Die Furcht vor dem Börsenkrach; in FAZ v. 24. März 2001; Techniker erwarten im Dax neue Tiefstände, in: FAZ v. 29. März 2001; Abermaliger Kurssturz an den Technologiebörsen, in: FAZ v. 4. April 2001; Experten: Korrektur der Wachstumsprognosen längst überfällig, in: FAZ v. 4. April 2001; Im freien Fall stürzen die Börsianer aus ihrer Traumwelt, in: FR v. 4. April 2001; Börsenboom, Crash und die vergangene Lust auf den schnellen Gewinn - Der Kurssturz der Technologiewerte hat alle wichtigen Aktienmärkte rund um den Globus mit in die Tiefe gerissen, in: FAZ v. 5. April 2001; Aktieninstitut bangt um die Akzeptanz der Anleger, in: FAZ v. 5. April 2001; Pessimismus macht sich breit, in: FAZ v. 6. April 2001; Konjunktur verliert an Schwung, in: FR v. 6. April 2001; Besorgnis über die dauerhafte Konjunkturschwäche wächst, in: FAZ v. 9. April 2001;  Das Wachstum der Weltwirtschaft wird sich halbieren - Weltbank: Das Risiko für eine längere Schwächephase ist gestiegen, in: FAZ v. 11. April 2001; Die Geldschluckmaschine - Die Frankfurter Wachstumsbörse verkommt zum Tummelplatz für Hochstapler und unseriöse Geschäftemacher, in: Spiegel v. 23. April 2001; Konjunktur verliert merklich an Tempo, in: FR v. 26. April 2001; How we missed Signs of a Slowdown, in: Time v. 30. April 2001; Die Inflationsängste wachsen, in: FAZ v. 10. Mai 2001; F.A.Z.-Indikator: Kräftig abwärts, in: FAZ v. 11. Mai 2001; Wachstum geringer als zwei Prozent, in: FAZ v. 21. Mai 2001; Deutschland kommt unter die Räder, in: FAZ v. 21. Mai 2001;
  5. FAZ v. 30. November 2000.
  6. FAZ v. 27. April 2001, FAZ v. 15. Juni 2001, FAZ v. 17. Juni 2001, FAZ v. 20. Juni 2001 und FAZ v. 21. Juni 2001.
  7. Der Pilotenstreik verstärkt das deutsche Tarifkartell - Verhandlungen wieder aufgenommen / Gesamtauslastung bei Lufthansa sinkt um 4,6 Prozent, in: FAZ v. 22. Mai 2001, und Lufthansa Cargo will Spediteure binden - Geschäftseinbruch im zweiten Quartal, in: FAZ v. 4. Juli 2001.
  8. FAZ v. 12. April 2001.
  9. AEA klagt über sinkendes Luftverkehrsaufkommen, in: FAZ v. 13. Juni 2001

Alle erwähnten Pressebeiträge sind im Presse-Archiv der BIL nachgewiesen.

Stopp Fluglärm

OF Offenbach ohne Fluglärm