Das Arbeitsplatzargument

Stellungnahme zur wissenschaftlichen Methodik der im Rahmen des Mediationsverfahrens erstatteten Gutachten zu den Beschäftigungswirkungen eines Ausbaus des Flughafens Frankfurt

von
Prof. Dr. Michael von Hauff
Prof. Dr. Jens Horbach
im Auftrag
des Magistrates der Stadt Hofheim

Stuttgart/Buch am Forst, Mai 2000

 

1. Einleitung *

2. Stellungnahme zum Gutachten "Bedeutung des Flughafens Frankfurt/Main als Standortfaktor für die regionale Wirtschaft" *

2.1 Zielstellung des Gutachtens und Vorgehensweise *

2.2 Beurteilung der einzelnen Bausteine des Gutachtens *

2.3 Gesamtbeurteilung *

3. Stellungnahme zum Gutachten: Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main *

3.1Zielstellung des Gutachtens und Vorgehensweise *

3.2Beurteilung der einzelnen Bausteine des Gutachtens *

3.3Gesamtbeurteilung *

4. Ökonomische und ökologische Effekte von Umweltschädigungen durch den Flughafenausbau *

4.1 Übersicht zu ökologischen und ökonomischen Effekten *

4.2Methoden zur Messung ökonomischer Effekte von Umweltschädigungen *

5. Zusammenfassende Beurteilung *

Literaturverzeichnis *

1. Einleitung

Im März 2000 erhielten Prof. Dr. Michael von Hauff und Prof. Dr. Jens Horbach von dem Magistrat der Stadt Hofheim den Auftrag, für die im Rahmen des Mediationsverfahrens erstellten Gutachten zu den Beschäftigungswirkungen eines Ausbaus des Flughafens Frankfurt hinsichtlich der dort angewandten Methodik eine Stellungnahme vorzunehmen. Im Rahmen dieser Stellungnahme geht es also darum, die Gutachten kritisch zu prüfen und zu beurteilen. Diese Stellungnahme beschränkt sich auf folgende Gutachten:

- Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main -
Status-Quo-Analysen und Prognosen
Erstellt: Arbeitsgemeinschaft Bulwien und Partner GmbH, Universität Frankfurt (Institut für Statistik und Ökonometrie), Technische Universität Darmstadt (Fachgebiet Finanz- und Wirtschaftspolitik

- Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main -
Status-Quo-Analysen und Szenarien -
Teil B: Erhebung und Bestimmung der direkten Effekte mittels Arbeitsstättenbefragung
Erstellt: siehe oben

- Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main - Status-Quo-Analysen und Szenarien -
Teil C: Analyse der Einkommens- und Beschäftigungswirkungen des Flughafens Frankfurt/Main mit Hilfe von Input-Output Modellen für die Bundesrepublik Deutschland und Hessen.
Erstellt: siehe oben

- Bedeutung des Flughafens Frankfurt/Main als Standortfaktor für die regionale Wirtschaft - Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte der Flughafenanbindung –
Erstellt: Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität zu Köln

Die Stellungnahme konzentriert sich primär auf die Methoden und die Anwendung der Methoden und die daraus gewonnenen Ergebnisse im engeren Sinne. Daraus leiten sich qualitative Schlussfolgerungen ab, ob die Gutachten sich für einen gesicherten Entscheidungsprozess hinsichtlich des geplanten Ausbaus des Frankfurter Flughafens eignen. Entsprechend wendet sich das zweite Kapitel dem Gutachten des Instituts für Verkehrswissenschaft/Universität Köln zu. Das Kapitel drei befaßt sich mit dem dreibändigen Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Bulwien und Partner GmbH u.a.. Es wurde jedoch mit dem Auftraggeber dieser Stellungnahme vereinbart, dass auch die Umwelteffekte, die in diesen Gutachten weitgehend vernachlässigt werden, in die Stellungnahme mit einbezogen werden, da sie für die Standortqualität von hoher Relevanz sind und zumindest als "weicher Standortfaktor" auch für den Arbeitsmarkt bedeutend sind. Dieser Aspekt wird in Kapitel vier behandelt. In Kapitel fünf erfolgt eine abschließende Beurteilung.

Die Stellungnahme kann somit nicht als Gegengutachten zu den aufgeführten Gutachten verstanden oder eingeordnet werden. Die Stellungnahme enthält keine neuen Erhebungen oder Alternativberechnungen bzw. alternative Konzepte zu den verschiedenen Varianten der geplanten Erweiterung des Frankfurter Flughafens. Sie beschränkt sich auf qualitative Aussagen bzw. Empfehlungen hinsichtlich der in den Gutachten aufgezeigten Ergebnisse.

2. Stellungnahme zum Gutachten "Bedeutung des Flughafens Frankfurt/Main als Standortfaktor für die regionale Wirtschaft"

2.1 Zielstellung des Gutachtens und Vorgehensweise

Das Gutachten vom Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität zu Köln versucht nachzuweisen, dass aus der Erweiterung des Flughafens Frankfurt eine Verbesserung der Standortqualität der Region resultiert, was wiederum zu "Produktivitätssteigerungen, Kostensenkungen, besseren Absatzmöglichkeiten und in Wertschöpfungseffekten für die Region aus der Standortentscheidung der Unternehmen" führen soll (Kurzfassung S. 2). Aus verbesserten Produktions- und Absatzbedingungen für die Wirtschaft der Region entstehe "... die eigentliche Rechtfertigung für den Flughafen" (Kurzfassung S. 2).

Die Hauptdatenbasis für das Gutachten basiert auf einer schriftlichen Befragung von 7028 Unternehmen im Einzugsbereich des Flughafens. Diese Daten wurden durch die amtliche Statistik sowie Expertengespräche ergänzt. Neben der deskriptiven Auswertung der Befragung wurde ein Modell "wirtschaftliche Effekte" zur Darstellung der quantitativen Zusammenhänge zwischen Unternehmensaktivitäten und den Standorteffekten für die Region entwickelt.

Auf der Basis dieses Modells haben die Gutachter Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte für drei Szenarien berechnet. Das Szenario A (engpaßfreier Ausbau des Flughafens) diente als Basisszenario, damit wurden die beiden anderen Szenarien B (Verlust der HUB-Funktion des Frankfurter Flughafens) und Szenario C (Einschränkung des Frachtverkehrs) verglichen.

2.2 Beurteilung der einzelnen Bausteine des Gutachtens

Erhebung und Aufbereitung der Datengrundlage

Eine schriftliche Unternehmensbefragung bildete die Hauptdatenbasis des Gutachtens. Zum Erfolg der Befragung bemerken die Autoren (S. 46): "Von den 7.028 versendeten Fragebögen wurden etwa 10% zurückgeschickt. Davon waren 658 Fragebögen auswertbar. Durch die Nachfaßaktion wurde der Rücklauf auf 906 Fragebögen erhöht. Davon waren 53 nicht auswertbar. Somit liegt die Rücklaufquote (auswertbare Bögen) bei 12,1%".

Diese Antwortquote ist im Vergleich zu anderen Unternehmensbefragungen sehr gering. So betrug der entsprechende Wert im Betriebspanel (Erstbefragung) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) über 70%. Erhebliche Probleme ergeben sich hieraus vor allem dann, wenn die nicht antwortenden Unternehmen zu deutlich abweichenden Ergebnissen gekommen wären (sogenannter non-response-error). Eine niedrige Antwortquote erfordert daher umso mehr eine Analyse der Situation der nicht antwortenden Unternehmen. Dies haben die Gutachter über eine telefonische Nachfaßaktion zu erreichen versucht, indem vor allem Unternehmen der bis dahin unterrepräsentierten Branchen bzw. Regionen erneut befragt wurden. Unterschieden wurde darüber hinaus auch nach der Betroffenheit der Unternehmen durch den Flughafen. Diese Maßnahmen zur Verringerung des non-response-errors waren auf jeden Fall notwendig und sinnvoll. Angesichts der sehr geringen Rücklaufquote in Verbindung mit der Tatsache, dass vor allem in positiver Weise von einem Flughafenausbau betroffene Unternehmen einen hohen Anreiz haben zu antworten, müssen die Ergebnisse der Befragung dennoch sehr vorsichtig interpretiert werden.

Beurteilung des Fragebogens

Der Fragebogen weist deutlich erkennbare Schwächen auf, die im folgenden stichpunktartig erläutert werden sollen:

- Bei der Frage nach den einzelnen Standortfaktoren wurde auf die Nennung weicher Standortfaktoren wie der Umweltqualität verzichtet (lediglich Freizeitwert, d. h. Kultur und Erholung wurde genannt). Gerade dieser Standortfaktor wäre aber in bezug auf mögliche negative Standorteffekte des Flughafenausbaus relevant gewesen. So weisen viele regionalökonomische Studien (vgl. z.B. Horbach/Junkernheinrich (1994), S. 116/117) und sogar die Gutachter selbst (S. 94) darauf hin, dass derartige weiche Standortfaktoren zunehmend wichtiger werden, etwa um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Dies ist vor allem auch für andere Branchen in der Region Frankfurt wie dem Kreditgewerbe oder der Informationstechnologie, die in besonderer Weise von qualifizierten Mitarbeitern abhängig sind, von hoher Bedeutung. So kann die Situation eintreten, dass diese Unternehmen aufgrund einer Verschlechterung der weichen Standortfaktoren gezwungen sind, eher in anderen Regionen zu investieren. Eine bessere Berücksichtigung der weichen Standortfaktoren im Rahmen der Erhebung wäre also durchaus sinnvoll und notwendig gewesen.

- Es wird nach der prozentualen Veränderung des Umsatzes und der Mitarbeiterzahl von 1998 bis zum Jahre 2015 gefragt: Es ist anzunehmen, dass diese Angaben aufgrund des sehr langen Zeitraums nur sehr grob und ungenau sein können. Der jeweils befragte Mitarbeiter eines Unternehmens dürfte kaum in der Lage gewesen sein, angesichts vieler Unwägbarkeiten und Änderungen von Rahmenbedingungen in der Zukunft derartig exakte Angaben zu machen.

  • Im Falle des Verlustes der HUB-Funktion des Frankfurter Flughafens: Die hier gestellte Frage nach (Teil-) Standortverlagerungen ist noch zu vertreten, wobei gerade diejenigen Unternehmen, die in hohem Maße vom Frankfurter Flughafen wirtschaftlich abhängig sind, einen hohen Anreiz haben, Standortverlagerungen anzugeben. Ob angesichts hoher sunk costs tatsächlich auch eine Standortverlagerung durchgeführt wird, ist dann allerdings eher fraglich. Wichtiger wäre an dieser Stelle eine Frage gewesen, an welchem Standort in Zukunft investiert werden soll, was nicht damit verbunden sein muß, dass der bisherige Standort aufgegeben wird. Mit sehr großen Ungenauigkeiten ist die anschließende Frage nach der Anzahl der Mitarbeiter verbunden, die - genau nach Einzelbereichen aufgeschlüsselt - von den Standortverlagerungen betroffen sein würden (vgl. auch weiter oben).

Deskriptive Auswertung der Stichprobenergebnisse

Ein entscheidendes Problem des Gutachtens besteht darin, dass aus möglichen Standortverlagerungen, die aus einer Befragung ermittelt wurden, konkrete, in genaue Zahlen gefaßte Verluste an Beschäftigten abgeleitet wurden. Vor allem angesichts des sehr langen Beobachtungszeitraums bis zum Jahr 2015 in Verbindung mit der sehr geringen Rücklaufquote bei der Befragung, erscheint diese Vorgehensweise als ungeeignet. So bekennen die Autoren zunächst selbst: "Allerdings stellt dieser langfristige Erwartungshorizont hohe Anforderungen an die Vorstellungskraft der befragten Unternehmen. Sie müssen abschätzen, wie sich Märkte und Lieferbeziehungen entwickeln, welche Produktions- und Vertriebsverfahren verfügbar sein werden, welche alternativen Verkehrsträger in Betracht kommen könnten u.a.m. Die Antworten dürfen entsprechend nur als orientierende Abschätzung und nicht als exakte Daten gesehen werden." (S. 4).

Im Anschluß daran werden jedoch diese Daten verwendet, um - im Rahmen eines Modells "wirtschaftliche Effekte" - genaue, quantitative Angaben zu Beschäftigungs- und Wertschöpfungswirkungen zu machen. Es ist auch fraglich, ob die befragten Unternehmen in der Lage waren, künftige Rationalisierungspotentiale in ihren Antworten zu berücksichtigen – ein Aspekt, der gerade angesichts hoher Produktivitätssteigerungen in der Vergangenheit für die Unternehmen des Flughafens Frankfurt eine große Rolle gespielt hat.

Die Auswertung der Frage nach den einzelnen Standortfaktoren zeigt, dass die "Verkehrsanbindung durch den Flughafen Frankfurt" im Durchschnitt aller befragten Unternehmen an siebter Stelle der erhobenen Standortfaktoren liegt und damit eher eine untergeordnete Rolle spielt. So ergibt sich nach der Befragung als wichtigster Standortfaktor die "Verkehrsanbindung durch die Straße", danach folgen in dieser Reihenfolge: "Nähe zum Absatzmarkt", "Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte", "Arbeitskosten", "örtliche Steuern und Abgaben" sowie "Dienstleistungsangebote".

Neben der Wichtigkeit der einzelnen Standortfaktoren ist die Auswertung der Frage nach der Beurteilung der eigenen Standortbedingungen durch die befragten Unternehmen interessant (S. 110):

"Die vorzufindenden Bedingungen werden von den befragten Unternehmen besonders kritisch gesehen, wenn Bedeutung des Standortfaktors und Beurteilung des eigenen Standortes erheblich auseinanderfallen. Dies gilt insbesondere für die Höhe der örtlichen Steuern und Abgaben, die Arbeitskosten, die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, die Umweltauflagen sowie die Verkehrsanbindung durch die Wasserstraßen. Dies deutet z.B. auf relativ hohe Arbeitskosten und Belastungen durch örtliche Steuern und Abgaben hin. Die Ausgestaltung dieser Faktoren wird demnach ihrer Standortbedeutsamkeit aus Sicht der Unternehmen nicht gerecht. Die Standortbedingungen sind in diesen Fällen verbesserungswürdig. Im Gegensatz hierzu entspricht die Beurteilung der Luftverkehrsanbindung der Bedeutung dieses Standortfaktors."

Offenbar scheint für die befragten Unternehmen gerade bei diesem für das Gutachten kritischen Standortfaktor zumindest zur Zeit kein Engpaß zu bestehen.

Verdrängungseffekte auf dem Arbeitsmarkt

In einem weiteren Abschnitt gehen die Autoren des Gutachtens der Frage nach, "... ob die Unternehmen, die durch die Qualität der Luftverkehrsanbindung begünstigt werden, einen Verdrängungseffekt zu Lasten der Unternehmen, die keine Vorteile durch die Luftverkehrsanbindung haben, verursachen" (S. 122).

Die Messung derartiger Verdrängungseffekte erfolgt allein auf der Basis der Analyse der offenen Stellen bei luftverkehrsaffinen und nicht-luftverkehrsaffinen Unternehmen: "Die Nullhypothese "Von der Luftverkehrsanbindung gehen keine Verdrängungseffekte aus" wird dann verworfen, wenn sich bei begünstigten Unternehmen eine relativ geringere Anzahl offener Stellen beobachten läßt, als bei den nicht begünstigten Unternehmen" (S. 124). Diese Vorgehensweise ist allerdings kaum geeignet, um mögliche Verdrängungseffekte nachzuweisen. So werden Struktureffekte nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt: Der Vergleich der Anzahl offener Stellen sagt noch nichts darüber aus, ob die flughafenaffinen mit den nicht-flughafenaffinen Unternehmen in bezug auf die Arbeitskräfte konkurrieren. So kann es sein, dass die Unternehmen der ersten Gruppe Fluglotsen benötigen und die zweite Gruppe dagegen Computerspezialisten. Auch die von den Autoren des Gutachtens durchgeführte grobe Differenzierung nach Branchen hilft hier kaum weiter.

Darüber hinaus wird nicht beachtet, dass auch die Möglichkeit besteht, dass Arbeitskräfte aus anderen Regionen in die Region Frankfurt wandern könnten.

Viel wichtiger wäre dagegen die Berücksichtigung von Verdrängungseffekten gewesen, die aus der Verschlechterung der weichen Standortfaktoren wie der Umweltqualität resultieren können. Die Diskussion derartiger Effekte erfolgt in Abschnitt 4 dieser Stellungnahme.

Das Modell "wirtschaftliche Effekte"

Das Modell "wirtschaftliche Effekte" basiert auf den Wirkungen von Kostensteigerungen, Umsatzausfällen und (Teil-) Standortverlagerungen. Die Ausgangsdaten werden der amtlichen Statistik, der schriftlichen Erhebung und den Expertengesprächen entnommen.

Wie schon weiter oben ausgeführt, ist die Datenbasis zur Ermittlung von quantitativen Ergebnissen nicht adäquat, da die Angaben etwa zu Standortverlagerungen aufgrund unvollkommener Information der Unternehmen nicht exakt sein können und lediglich qualitative Aussagen zulassen.

Darüber hinaus weist das Modell "wirtschaftliche Effekte" teilweise unrealistische Annahmen auf:

  • Die Autoren behaupten, dass durch das erhöhte Kapitalangebot aufgrund von Standortverlagerungen der Zins sinken soll (S. 140). Es ist jedoch völlig unrealistisch, dass es zu Zinsänderungen aufgrund von Kapitalangebotsänderungen in einem derart kleinen Gebiet wie dem Umland des Flughafens Frankfurt kommen wird.

- Umgang mit dem Faktor Kapital: Die Autoren betrachten beispielsweise den folgenden Fall (S. 167): "Der Kapitalbedarf ist größer als das vorhandene Kapitalpotential. Das bedeutet, dass das durch die Produktionsausfälle bei den betroffenen Unternehmen freigesetzte Kapital nicht reicht, um die von der Standortverlagerung betroffenen Mitarbeiter in einer alternativen Verwendung vollständig zu beschäftigen." Hieraus folgern die Autoren sofort, dass sich dadurch der Verlust an Arbeitsplätzen erhöht. Mit ihrem Begriff des vorhandenen Kapitalpotentials gehen die Verfasser von einer statischen Sichtweise aus und berücksichtigen etwa nicht die Möglichkeit, dass durch eine Steigerung der Investitionstätigkeit ein zusätzlicher Kapitalstock und damit Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Insgesamt bleibt der im Gutachten verwendete Kapitalbegriff diffus und unklar. Welche Art von Kapital (z.B. Grundstücke, Maschinen oder Geldkapital) bei "Produktionsausfällen" freigesetzt wird, ist nicht erkennbar. Erst nach einer genauen Analyse der Zusammensetzung dieses "Kapitals" könnte man darüber urteilen, welche Beschäftigungseffekte zu beobachten wären.

- Die Autoren nehmen an, dass Kostensteigerungen automatisch in Preiserhöhungen weitergegeben werden. Anschließend werden gesamtwirtschaftliche Preiselastizitäten aus der Literatur verwendet, um die daraus resultierenden Produktionsausfälle zu berechnen. Es könnte für ein Unternehmen allerdings auch sinnvoll sein, die Kostensteigerungen bei sehr elastischer Nachfrage anders zu kompensieren – etwa durch Produktivitätssteigerungen, ansonsten würde das Unternehmen ja unter Umständen vom Markt verschwinden (S. 143). Gerade im Hinblick auf die Unternehmen des Flughafens Frankfurt konnte man in den neunziger Jahren beobachten, dass Produktivitätspotenziale genutzt wurden: Das Passagier- und Frachtaufkommen wuchs deutlich stärker als die Beschäftigung (vgl. Bericht der Mediationsgruppe, S. 75). Die Gutachter haben zwar versucht, "Auffangpotenziale" von Kostensteigerungen zu berechnen. Dabei geben sie exakte Zahlen an (beispielsweise ein Kompensationspotenzial von 12 % bei einer Funktionseinschränkung im Passagierverkehr, S. 82). Auf der Basis des im Anhang des Gutachtens abgedruckten Fragebogens ist eine derartige Berechnung jedoch methodisch nicht vertretbar, da in Frage 5b) lediglich nach Intervallen (z. B. "um 50 % bis 80 %", "um 80 % bis 100 %") gefragt wird.

- Auf Seite 162 konstatieren die Autoren: "Mit der Verwendung der 97er Arbeitslosenquoten wird unterstellt, dass diese auf das Jahr 2015 übertragbar sind". Die Arbeitslosenquoten von 1997 werden offenbar bedenkenlos auf das Jahr 2015 übertragen. Dabei wird überhaupt nicht berücksichtigt, dass sich beispielsweise das Arbeitsangebot aufgrund demographischer Ursachen bis zum Jahr 2015 stark ändern kann. Es ist auch durchaus denkbar, dass bei qualifizierten Beschäftigten im Jahr 2015 sogar ein Arbeitskräftemangel bestehen kann.

Ergänzende Expertenbefragung

Das Gutachten wird in Kapitel 6 durch eine Expertenbefragung ergänzt, die u.a. Fallstudien zur Betroffenheit einzelner Unternehmen durch den Flughafenausbau beinhaltet.

Ein wichtiges Ergebnis verdeutlicht, dass bei einer Funktionseinschränkung im Passagierverkehr durchaus Verlagerungspotenziale bestehen. Als Ausweichflughäfen werden z.B. Mannheim, Straßburg oder Saarbrücken genannt, außerdem würde nach Aussagen der Unternehmen die Bahn stärker genutzt werden (S. 222), was vor dem Hintergrund der Umweltproblematik ja durchaus eine positiv zu bewertende Reaktion darstellt.

Mit Umsatzausfällen aufgrund einer verschlechterten Luftverkehrsanbindung rechnet die Mehrheit der befragten Unternehmen jedoch nicht, dagegen mit Kostensteigerungen (S. 223).

Auch im Rahmen der Expertenbefragung wurden offenbar weiche Standortfaktoren wie die Wohnumfeld- oder die Umweltqualität nicht berücksichtigt.

2.3 Gesamtbeurteilung

Die Datenbasis muß als unsicher bezeichnet werden, da einerseits die Rücklaufquote bei der Unternehmensbefragung mit 12 % niedrig war. Außerdem war die Frage nach Standortverlagerungen nach einzelnen Szenarien mit den damit verbundenen Mitarbeiterzahlen in bezug auf den sehr langen Zeitraum bis 2015 zu komplex. Diese Ausgangsdaten sind damit für eine exakte Prognose- und Szenarienbildung unzureichend. Sie sind allenfalls in der Lage, qualitative Aussagen zuzulassen.

Das Modell "wirtschaftliche Effekte" weist – wie in Abschnitt 2.2 dargestellt - teilweise unrealistische Annahmen auf und berücksichtigt viele relevante Effekte, wie etwa die Änderung des Arbeitsangebots bis 2015, nicht.

Die Autoren vernachlässigen den sehr wichtigen Aspekt der wirtschaftlichen Effekte zusätzlicher Umweltbeeinträchtigungen aufgrund eines Ausbaus des Flughafens. Sie geben lediglich den folgenden Hinweis (S. 7): "Die theoretische Sicht hätte es nahe gelegt, daß den Vorteilen der Luftverkehrsanbindung auch die Wertschöpfungs- und Beschäftigungskontraktionen aus den externen Kosten des Luftverkehrs (Lärm, Schadstoffemissionen) gegenübergestellt worden wären. Der Arbeitskreis Ökonomie der Mediationsgruppe hat sich jedoch für eine Bruttorechnung der wirtschaftlichen Vorteile entschieden."

Auf der Basis des vorliegenden Gutachtens können die Standorteffekte eines Flughafenausbaus nicht in zuverlässiger Weise quantifiziert werden. Darüber hinaus wurden wichtige Standortfaktoren wie die Umweltqualität in der Flughafenregion nicht berücksichtigt.

3. Stellungnahme zum Gutachten: Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main

3.1 Zielstellung des Gutachtens und Vorgehensweise

Ziel des Gutachtens war es, derzeitige und zukünftige Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafens Frankfurt/Main zu quantifizieren. Anhand unterschiedlicher Entwicklungsszenarien sollten die Effekte eines Ausbaus des Flughafens ermittelt werden.

Das Gutachten ist in drei Teile gegliedert. Der Teil A befaßt sich mit einer umfangreichen Beschreibung und Analyse der luftverkehrlichen und regionalen Grundlagen. Hier werden u.a. die Ergebnisse der Literatur zu anderen Flughafenstudien zusammengefaßt. Es erfolgt eine ausführliche Auswertung der verfügbaren Daten und amtlichen Statistiken zu den wichtigsten ökonomischen Variablen in bezug auf den Flughafen Frankfurt selbst und sein Umland. Aufgrund seines mehr deskriptiven Charakters soll dieser Teil des Gutachtens im Rahmen dieser Stellungnahme nur am Rande berücksichtigt werden.

In Teil B wird die zentrale Datenbasis für die Ermittlung der Beschäftigungs- und Einkommenseffekte beschrieben. Anhand einer Befragung von Arbeitsstätten auf und außerhalb des Flughafengeländes sollen in Teil B zunächst direkte Einkommens- und Beschäftigungseffekte für den Status Quo sowie für die von der Mediationsgruppe vorgegebenen Szenarien untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Arbeitsstättenbefragung liefern dann auch die Datengrundlage für die in Teil C durchgeführten regionalen Input-Output-Analysen zur Ermittlung indirekter regionaler und gesamtwirtschaftlicher Einkommens- und Beschäftigungseffekte für unterschiedliche Entwicklungsszenarien des Frankfurter Flughafens.

3.2 Beurteilung der einzelnen Bausteine des Gutachtens

Teil A: Beschreibung und Analyse der luftverkehrlichen und regionalen Grundlagen

Teil A schildert die herausragende Stellung des Flughafens Frankfurt in Deutschland und Europa. So beträgt sein Anteil am Passagierverkehr in Deutschland ca. 34 %, der Vergleichswert für den Frachtbereich beträgt sogar 67 %. Prognosen in der Literatur gehen von einem weiteren hohen Wachstums des Passagieraufkommens bzw. Frachtaufkommens von 4,5 bis 5,3 % im Zeitraum bis 2005/7 bzw. 5,0 bis 6,4 % aus. Allerdings stellen die Gutachter auch fest, dass sich derartige Wachstumsraten nur unterproportional auf die Beschäftigung auswirken. So ist das Passagier- und Frachtaufkommen in der Vergangenheit aufgrund von Produktivitäts- und Synergieeffekten wesentlich stärker gestiegen als die Beschäftigtenzahl im Flughafenbereich.

Teil B: Flughafenbezogene und –affine Arbeitsstättenbefragung

In einer Arbeitsstättenbefragung, die die zentrale Datengrundlage (auch für den Teil C) für die Ermittlung der direkten und indirekten Beschäftigungs- und Einkommenseffekte bildet, wurden sowohl Firmen auf dem Flughafengelände als auch aus dem Umland des Flughafens befragt.

Bei der Befragung der Firmen auf dem Flughafengelände war die Antwortbereitschaft verständlicherweise sehr hoch. So betrug die Rücklaufquote bei diesen Firmen ca. 85 %. Allerdings ist dieses Antwortverhalten auch nicht überraschend, da die auf dem Flughafengelände tätigen Unternehmen unzweifelhaft ein hohes Interesse an Gutachten über günstige wirtschaftliche Effekte des Flughafens haben.

Bezüglich der Befragung der Firmen im Umland des Flughafens Frankfurt wurde eine Grundgesamtheit von 1400 Firmen ermittelt, die eine hohe Abhängigkeit vom Flughafen aufweisen. Aus dieser Grundgesamtheit wurde eine geschichtete Zufallsauswahl getroffen, lediglich 60 Firmen waren jedoch bereit, sich an der Befragung zu beteiligen, so daß die Rücklaufquote demnach nur 10,3 % betrug. Von den 60 Arbeitsstätten aus der Umlandbefragung wurden in der weiteren Analyse allerdings nur die Firmen berücksichtigt, die einerseits "... mindestens 50% ihrer Unternehmensaktivitäten "auf" dem Flughafen haben" (S. 142) und andererseits genügend Informationen für die Input-Output-Rechnung zur Verfügung stellen. Mithin wurden letztlich nur Firmen befragt, die ein sehr hohes Interesse an einer Erweiterung des Flughafens aufweisen und bei einer Befragung einen Anreiz haben, die positiven Effekte des Flughafenausbaus hervorzuheben.

Hier zeigt sich eine entscheidende Schwäche des gesamten Gutachtens: Es behandelt nur Bruttoeffekte, d.h. es werden nur durch den Flughafenausbau in positiver Weise betroffene Unternehmen befragt. Mögliche negative ökonomische Konsequenzen für Unternehmen, die vom Flughafenausbau negativ betroffen sind – etwa durch eine Verschlechterung der weichen Standortfaktoren – werden nicht berücksichtigt.

Im folgenden sollen stichpunktartig einige Problempunkte des für die Arbeitsstättenbefragung verwendeten Fragebogens diskutiert werden:

  • Frage 17: Frage nach der Struktur der Vorleistungsgüter. Diese Frage stellt hohe Anforderungen an das befragte Unternehmen. Nach der Erfahrung der Verfasser dieser Stellungnahme werden derartige Fragen meist nur sehr unzureichend beantwortet. Dieses Problem tritt vor allem dann auf, wenn man eine - wie hier geschehen - , sehr detaillierte Gütergliederung berücksichtigt.
  • - Frage 24: (Entwicklung des Frankfurter Flughafens, Szenarien nach Skalen von 1 bis 5 bzw. –1 bis –5): Die Antworten werden im Prinzip vorgegeben.
  • - Frage 25: Abschätzung der Entwicklungen von Investitionen und Beschäftigung in jährlichen Veränderungsraten bis 2010 nach unterschiedlichen Entwicklungsszenarien: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die befragten Firmen hier in der Lage waren, verläßliche Antworten zu geben. Dies wird durch Aussagen der antwortenden Firmen auch bestätigt (S. 164): "Die Befragten hatten mit der Beurteilung der sich aus den alternativen Entwicklungsszenarien ergebenden Konsequenzen große Schwierigkeiten, da die Szenarien durchgängig als zu abstrakt empfunden wurden. Es zeigte sich, dass die Entwicklung der Investitionen und der Beschäftigung viel weniger von den Szenarien selbst als von den möglichen Reaktionen dritter auf die dort skizzierte Entwicklungsmöglichkeit abhängt. Ist z.B. eine Arbeitsstätte von einer Fluggesellschaft abhängig, so wird die Anpassung der Investitionen bzw. der Beschäftigtenzahl nicht von den Szenarien hinsichtlich der Flughafenentwicklung bestimmt, sondern von der Reaktion der Fluggesellschaft auf diese Szenarien. Dieser Umstand führte zwangsläufig zu Unsicherheiten bei der Interpretation der vorgegebenen Szenarien. Der Zeitraum bis zum Jahr 2010 wurde im Zusammenhang mit den erbetenen Prognosen für die jährliche Steigerungsrate der Beschäftigtenzahl bzw. der Investitionen als zu lang angesehen." Gerade auf den Ergebnissen dieser Frage basieren jedoch die Berechnungen zu den direkten und indirekten Beschäftigungswirkungen (vgl. auch S. 7). Ungenauigkeiten und Schätzfehler werden in den auf der Befragung aufbauenden Input-Output-Analysen übernommen. Die dann berechneten genauen Zahlen zu direkten und indirekten Einkommens- und Beschäftigungswirkungen stehen damit auf einer sehr unsicheren Grundlage.

Teil C: Ökonomische Effekte des Flughafens

Die Berechnung der Anstoßeffekte durch den Flughafen Frankfurt erfolgt anhand einer multiregionalen Input-Output-Tabelle. Das methodische Konzept überzeugt und ist auf dem derzeitigen Stand der Wissenschaft.

Das Problem der empirischen Analyse direkter und indirekter Einkommens- und Beschäftigungswirkungen ist weniger der methodische Ansatz als vielmehr die Ausgangsdatenbasis anhand der Arbeitsstättenbefragung. Es werden hauptsächlich 108 Arbeitsstätten auf dem Flughafengelände einbezogen, die vollständige Angaben zu den für die Input-Output-Analyse notwendigen Fragen gemacht haben. Wahrscheinlich haben genau die Firmen gut geantwortet, die auch ein hohes Interesse an den Fragen gehabt haben, d.h. die auch besonders betroffen waren, wodurch die ökonomischen Effekte dann überschätzt werden.

Die Konsumfunktion wird anhand einer Kointegrationsanalyse geschätzt, wobei das Verfahren von Engle und Granger verwendet wird. Es kann ein enger statistischer Zusammenhang zwischen Konsum und Einkommen nachgewiesen werden.

Gesamtwirtschaftliche Effekte für den Status Quo 1998

Nach den Berechnungen hängen rund 110.000 Arbeitsplätze vom Flughafen Frankfurt ab, auf jeden Beschäftigten, der in einer der Arbeitsstätten des Flughafen Frankfurt beschäftigt ist, entfallen weitere 1,77 Beschäftigte innerhalb Deutschlands: Ein Problem könnte darin bestehen, dass bei den in der Arbeitsstättenbefragung antwortenden Firmen Dienstleistungsunternehmen unterrepräsentiert waren. Die regionalen Effekte für das Flughafenumland bzw. Hessen weisen niedrigere Multiplikatoren aus, d.h. aus regionaler Sicht ist im Vergleich zur Gesamtwirtschaft mit niedrigeren Beschäftigungseffekten zu rechnen.

Beurteilung der Entwicklungsszenarien (vgl. S. 248)

Die Mediationsgruppe hat die folgenden Szenarien vorgegeben:

Szenarien für die Entwicklung des Flughafens Frankfurt 1999 bis 2010

Szenario

Beschreibung laut Fragebogen

1

Marktgerechter Anstieg der Flugbewegungen (keine Kapazitätsengpässe).

2

Festschreibung des Status Quo (1998: 416.000 Flugbewegungen).

3

Verlust der Drehkreuzfunktion (Rückgang der Umsteigerzahlen auf < 50 %).

4

Verlust der derzeitigen europäischen Spitzenposition im Cargo-Bereich (Rückgang der reinen Cargo-Flüge auf weniger als 50 %; Verlust der kurzfristigen interkontinentalen Gütertransporte).

5

Rückgang auf 300.000 Flugbewegungen.

Quelle: Gutachten Teil C, S. 248.

Die Autoren des Gutachtens kommen anhand ihrer Berechnungen für den Zeitraum von 1999 bis 2010 zu den folgenden Ergebnissen:

  • Bei der Festschreibung des Status quo würde sich eine Stagnation der Beschäftigungs- und Einkommenswirkungen ergeben.
  • Nur bei einem marktgerechten Anstieg der Flugbewegungen ist mit einem weiteren Wachstum von Beschäftigung und Einkommen zu rechnen; aufgrund des Produktivitätsfortschritts werden die Multiplikatoreffekte im Vergleich zu den Ergebnissen für das Jahr 1998 jedoch abnehmen.

Hauptproblempunkt der Abschätzung unterschiedlicher Szenarien ist die Ausgangsdatenbasis:

  • So werden jährliche Veränderungsraten von 1999 bis 2010 anhand einer Befragung ermittelt.
  • Es ist von einem Antwortbias auszugehen: Zum größten Teil wurden Firmen befragt, die sich auf dem Flughafengelände befinden und daher ein hohes Interesse an einem Ausbau des Flughafens haben. Es ist naheliegend, dass sie auch an einem positiven Gutachten interessiert sind, zu dem sie mit ihren Antworten beitragen können.
  • Die Szenarien sind unscharf formuliert, auch die Befragten selbst empfanden die Formulierung der Szenarien als zu abstrakt (siehe auch Stellungnahme zum Teil B).
  • Schätzung der sektoralen Arbeitsproduktivitäten: Aufgrund hoher Rationalisierungsinvestitionen Anfang der neunziger Jahre wird von einer Abschwächung der Wachstumsraten der Arbeitsproduktivitäten ausgegangen, eine Annahme, die durchaus plausibel zu sein scheint. Diese geschätzten Arbeitsproduktivitäten werden mit den unterschiedlichen Szenarien kombiniert: "Da sich jede der drei Varianten für die Produktivität mit jedem der fünf Szenarien kombinieren lässt, lassen sich somit insgesamt 15 unterschiedliche Modellrechnungen durchführen." (S. 249). Die aus subjektiven Einschätzungen der befragten Unternehmen gewonnenen Daten für die Szenarien werden in den Modellrechnungen mit den aus objektiven Daten der amtlichen Statistik ermittelten Produktivitätsentwicklungen kombiniert. Zunächst wird den befragten Unternehmen also zugestanden, die jährlichen Wachstumsraten ihrer Beschäftigung bis 2010 prognostizieren zu können, um sie dann in einem zweiten Schritt mit den Ergebnissen aus der amtlichen Statistik bzw. der HLT (Hessische Landesentwicklungs- und Treuhandgesellschaft) zu korrigieren. Dies erscheint aus methodischer Sicht inkonsistent.
  • Die Annahme der Konstanz der Inputkoeffizienten der Vorleistungsverflechtung über den langen Zeitraum von 1999 bis 2010 ist nicht realistisch, so daß hierdurch die Ergebnisse verzerrt werden. Dieser Kritik wird im Gutachten entgegnet (S. 251), dass es bei den Berechnungen nur auf einen Vergleich zwischen den einzelnen Szenarien ankomme. Politisch in der Diskussion und von großer Relevanz für die Entscheidungsfindung sind jedoch vor allem die absoluten Beschäftigungs- und Investitionsentwicklungen.
  • Die Annahme der Konstanz der Lohn- und Gehaltsquote und der Verbrauchsstruktur bis 2010 ist zumindest problematisch.
  • In den Modellrechnungen wurden letztlich nur die Unternehmen auf dem Flughafengelände einbezogen. Dies wird damit begründet, dass für die flughafenaffinen Unternehmen keine Grundgesamtheit und somit keine Hochrechnungsbasis zur Verfügung steht und außerdem keine strukturellen Unterschiede in den Antworten bestünden. Dennoch schränkt diese Tatsache die Aussagefähigkeit des Gutachtens deutlich ein. Es findet keine Regionalanalyse statt, sondern lediglich eine Untersuchung von Unternehmen auf dem Flughafen, wobei es nicht überrascht, dass genau diese Unternehmen von einem Flughafenausbau profitieren werden.

3.3 Gesamtbeurteilung

Das Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Bulwien und Partner/J.W. Goethe-Universität Frankfurt/Main/TU Darmstadt erfaßt in wissenschaftlich fundierter Weise die ökonomischen Effekte (vor allem Einkommens- und Beschäftigungseffekte) des Frankfurter Flughafens für die direkt auf dem Flughafen befindlichen Unternehmen. Anhand einer multiregionalen Input-Output-Analyse werden neben den direkten Effekten auch die durch die Aktivitäten dieser Firmen induzierten Einkommens- und Beschäftigungseffekte berechnet.

Aufgrund einer sehr niedrigen Rücklaufquote bei der für das Gutachten durchgeführten Arbeitsstättenbefragung sowie fehlenden Informationen über eine geeignete Grundgesamtheit konnten die ökonomischen Effekte der Unternehmen im Umland des Frankfurter Flughafens nur am Rande berücksichtigt werden. Dagegen wurden mögliche negative Auswirkungen für Unternehmen beispielsweise aufgrund einer Verschlechterung der weichen Standortfaktoren, überhaupt nicht berücksichtigt. Es handelt sich somit nur um eine reine Bruttoberechnung positiver Beschäftigungs- und Einkommenseffekte.

Sehr problematisch erscheinen die Prognosen für den Zeitraum von 1999 bis zum Jahre 2010 anhand der von der Mediationsgruppe vorgegebenen Szenarien (vgl. auch die Tabelle weiter oben). Wie in Abschnitt 3.2 schon erwähnt, stellen auch die Autoren des Gutachtens selbst fest, dass die Befragten die Szenarien als zu abstrakt empfunden haben. Dies legt den Schluß nahe, dass dann die Frage nach durchschnittlichen, jährlichen Veränderungsraten für Investitionen und Beschäftigung von 1999 bis 2010 für jedes einzelne Szenario kaum zuverlässig beantwortet werden konnte.

In der Studie wird darüber hinaus nicht berücksichtigt, dass bei einem Rückgang der Flugbewegungen in Frankfurt oder bei einem Verlust der Drehkreuzfunktion unter Umständen andere regionale Flughäfen in Deutschland wie Saarbrücken oder Nürnberg profitieren könnten und dort mithin positive Einkommens- und Beschäftigungseffekte zu beobachten wären. Dies würde dazu führen, dass die in der Studie berechneten gesamtwirtschaftlichen Effekte geringer ausfallen würden, denn vor diesem Hintergrund ist es durchaus möglich, dass bei einem Wegfall eines Arbeitsplatzes in Frankfurt dafür ein neuer Arbeitsplatz in Nürnberg, Saarbrücken oder Hamburg entsteht. In diesem Kontext wäre auch die These zu überprüfen, ob die Rationalisierungspotenziale bei Großflughäfen wie Frankfurt nicht unter Umständen höher sind als bei Regionalflughäfen, so dass eine Verlagerung von Flugaktivitäten zu gesamtwirtschaftlich positiven Beschäftigungseffekten führen würde.

Wirtschaftliche Effekte wurden nur bei denjenigen ermittelt, die zumindest potenziell positiv betroffen sind. Im folgenden Abschnitt kann darüber hinaus gezeigt werden, dass durch die Umweltschäden, die durch den Ausbau zusätzlich resultieren, auch negative wirtschaftliche Effekte im Bereich des Frankfurter Flughafens entstehen können.

4. Ökonomische und ökologische Effekte von Umweltschädigungen durch den Flughafenausbau

Die ökonomische Analyse hinsichtlich der Auswirkungen des Ausbaus des Frankfurter Flughafens beschränkt sich in den vorliegenden Gutachten auf Einkommens– und Beschäftigungseffekte und auf die Bedeutung des Flughafens als Standortfaktor für die regionale Wirtschaft. Es besteht jedoch in der Finanzwissenschaft im Allgemeinen und in der Umweltökonomie im Speziellen ein breiter wissenschaftlicher Konsens, dass bei der Beurteilung von ökonomischen Auswirkungen auch potenzielle externe Effekte in die Analyse mit einbezogen werden müssen, um zu fundierten bzw. gesicherten Erkenntnissen zu kommen. Die Erweiterung des Flughafens erhöht die Umweltbelastung erheblich, die sich für viele Anwohner dieser Region als negative externe Effekte bzw. negative externe Kosten darstellen. Es kommt zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität und Gesundheit der unmittelbar betroffenen Anwohner, d.h. es entstehen Wohlfahrtseinbußen. Der Flughafenausbau führt somit zu einer nicht paretooptimalen Situation. Eine stärkere Berücksichtigung dieser Zusammenhänge fordert auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften:

Gleichzeitig zeigen sich für die Luftverkehrsbranche und für die europäischen Bürger immer häufiger die Nachteile des Erfolgs: die zahlreichen negativen Umweltauswirkungen des Luftverkehrs nehmen ebenfalls zu. Global gesehen trägt er zum Treibhauseffekt und zum Abbau der Ozonschicht bei (hier könnten Emissionen in großer Höhe ein besonders Problem darstellen). Auf regionaler Ebene trägt der Luftverkehr durch Schadstoffemissionen zur Versauerung, Eutrophierung und Bildung von troposphärischem Ozon bei.

Auf lokaler Ebene sind in unmittelbarer Nachbarschaft der Flughäfen vor allem die potenziellen gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen von Lärm und Luftverschmutzung durch Emissionen von NOx, flüchtigen organischen Verbindungen und Partikeln Anlaß zur Besorgnis.

Es gibt beunruhigende Anzeichen dafür, dass die Zunahme des Luftverkehrs bereits die Umweltverbesserungen zunichte macht, die sich aus den ständigen technologischen Fortschritten und beträchtlichen Anstrengungen der Branche selbst ergeben.

Quelle: Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1999, S. 5

Die unmittelbar materiellen Folgen bestehen in der Wertminderung von Wohneigentum von Anwohnern, aber auch z. B. in der Verschlechterung des Grundwassers. Bisher ist nicht zu erkennen, dass es zu einer Internalisierung der negativen externen Effekte kommt, d. h. dass der Verursacher dieser negativen Auswirkungen auch den Anwohnern zu entsprechenden finanziellen Leistungen sich verpflichtet fühlt bzw. verpflichtet wird. Das ist nach dem bisherigen Stand der Erkenntnis auch nicht möglich, da die negativen Umwelteffekte nicht in ausreichendem Maße analysiert bzw. ermittelt wurden und somit die notwendigen Kompensationsleistungen (Internalisierung externer Effekte) nicht möglich ist. Auch wenn die Methoden zur Messung ökonomischer Effekte von Umweltschädigungen noch nicht völlig "ausgereift" sind, so bieten sie die Möglichkeit, wie in Abschnitt 4.2 gezeigt wird, Kompensationsleistungen näherungsweise zu ermitteln.

In dem folgenden Abschnitt werden zunächst die ökologischen Effekte des Flughafenausbaus exemplarisch aufgezeigt und die daraus ableitbaren ökonomischen Effekte benannt. In Abschnitt 4.2 wird die Leistungsfähigkeit der Methoden zur Messung ökonomischer Effekte von Umweltschädigungen aufgezeigt.

4.1 Übersicht zu ökologischen und ökonomischen Effekten

Die ökologischen Effekte und die sich daraus ableitenden ökonomischen Auswirkungen für die Anwohner haben bisher eine vergleichsweise geringe Beachtung erfahren. Hier gibt es noch erhebliche Defizite hinsichtlich einer umfassenden quantitativen Analyse. So liegen beispielsweise für den Bereich Natur- und Landschaftsschutz nur unvollständige bzw. nicht systematisch zusammengestellte Angaben zur aktuellen Bestandssituation vor (Bestandsdokumentation/Datenrecherche zum Thema Ö14 ("Ökologische Funktionen") und erster Beurteilungsansatz für einen Variantenvergleich/Öko-Institut, Dezember 1999). Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf wesentliche Bereiche wachsender Umweltbelastung:

  • Fluglärmbelastung: Die Gesamtbelästigung Frankfurts (tags), gemessen als HA % ist mit 45 % wesentlich höher als bei den Flughäfen Hamburg, Düsseldorf und Köln, die im Bereich von 30 bis 35 % liegen. Daraus leitet sich ab, dass in Frankfurt eine hohe Sensibilisierung gegen Fluglärmeinwirkungen besteht. Die Betroffenen befürchten somit durch einen Ausbau besonders in bestimmten Gemeinden zunehmende Gesundheits- und Schlafstörungen. Dabei geht man von der Grundannahme aus, dass ungestörtes Wohnen bei HA höher als 50 %, d. h. wenn mehr als die Hälfte der Anwohner stark belästigt sind und die Situation zu mehr als 50 % unzumutbar betrachten, nicht möglich ist. Dieser Wert wird regional beispielsweise in den Gemeinden Raunheim und Rüsselsheim überschritten, wo unter dem Flugpfad die höchsten Werte im Bereich von 65 dB während des Tages und 54 dB während der Nacht erreicht werden.
  • Funktionen des Waldes: Die Erweiterung des Flughafens unter Berücksichtigung der verschiedenen Varianten führt dazu, dass es nicht nur zu einer Verringerung der umliegenden Waldfläche kommt, sondern dass es hier zur Rhodung und Umwandlung von Bannwald in eine andere Nutzungsart kommt. Dies ist nach § 22 Abs. 2 des Hessischen Forstgesetzes verboten. Es besteht jedoch darüber hinaus kein Zweifel, dass es in der Region zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der verschiedenen Waldfunktionen (Nutz-, Schutz-, Erholungsfunktion) kommt. Auch hier fehlen jedoch quantitative Analysen, um die Folgewirkungen differenziert aufzeigen und bewerten zu können.
  • Wasser (Grundwasser/Oberflächengewässer): Die verschiedenen Varianten des Ausbaus unterscheiden sich. So ist die Verschmutzungsempfindlichkeit des Grundwassers im Bereich der Nordvarianten als mittel bzw. hoch einzustufen. Die Verschmutzungsempfindlichkeit des Grundwassers wird im Bereich der Südvarianten als hoch bzw. sehr hoch eingeschätzt. Die konkreten Folgewirkungen müssen noch weiter untersucht werden.
  • Luftschadstoffemissionen: Die bisherige Entwicklung der Luftschadstoffemissionen des Flugverkehrs des Flughafens Frankfurt/Main für den Zeitraum 1984 bis 1995 zeigen, dass durch den Ausbau eine deutliche Erhöhung dieser Emissionen zu erwarten ist (siehe auch den Bericht der Mediationsgruppe, S. 43).

 

 

In t/a

Flugzeuge 1995 bis 10.000 ft
(TU Berlin/UBA)

Flugzeuge 1995 bis 1.000 ft
(HlfU)

Flugzeuge 1984 bis 10.000 ft (geschätzt nach TÜV Rheinl./UBA)

Veränderung (1984/1995 bis 10.000 ft)

Kohlendioxyd CO2

1.254.000

?

ca. 700.000

+80%

Schwefeldioxyd SO2

166

238

300

-20%

Stickoxyde NOX

7.728

1.643

ca. 3.700

+105%

Kohlenwasserstoffe HC

986

540

ca. 2.800

-65%

Kohlenmonoxyd CO

4.378

1.896

ca. 5.600

-20%

Starts- und Landungen

370.000

370.000

212.000

+75%

Dies gilt nach Auffassung von Experten auch unter Berücksichtigung des verringerten Emissionsausstoßes von neueren Flugzeugtypen.

  • Einfluß auf Klimaänderungen: Nach Schätzungen trägt der Luftverkehr derzeit in einer Größenordnung von 3,5 % zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. (vgl. Bericht der Mediationsgruppe, S. 47). Damit haben durch einen Flughafenausbau bedingte Umweltschädigungen nicht nur regionale, sondern auch globale negative Effekte. Auch die Mediationsgruppe weist auf diesen Aspekt hin. Sie hält es "... für unbefriedigend, dass keinerlei Verknüpfung zwischem lokalem Handeln (Fliegen ab Frankfurt) und globalen Auswirkungen hergestellt wird." (Bericht der Mediationsgruppe, S. 47). Ferner sollten in diesem Kontext aber auch die regionalen Effekte auf "Lufthygiene und Kleinklima" berücksichtigt werden, die teilweise schon in dem Abschnitt "Luftschadstoffemissionen" aufgezeigt wurden. In einem Expertenhearing am 27.09.1999 stellte Prof. Gravenhorst fest, dass im unmittelbaren Start- und Landebereich starke mikroklimatische Änderungen zu erwarten sind, die jedoch kaum zu einer regionalen Klimabeeinflussung führen.

Es liegt ein toxikologisches Gutachten über die einzelnen Schadstoffe vor, das für den Entscheidungsprozess bisher weitgehend vernachlässigt wird. Bislang liegen jedoch keine weitergehenden Aussagen bzw. Stellungnahmen im Hinblick auf einen Vergleich der Varianten unter kleinklimatischen/klimaökologischen Aspekten sowie zu der toxikologischen Relevanz von Luftschadstoffimmissionen (Flugverkehr/Kfz-Verkehr) vor.

Die aufgezeigten Entwicklungstendenzen hinsichtlich einer zunehmenden Umweltbelastung in der Region führen dazu, dass es in vielen Gemeinden neben der schon erwähnten Beeinträchtigung von Gesundheit und Lebensqualität auch zu einer Entwertung von Baugrundstücken und Wohneigentum kommen wird. Dies kann dazu führen, dass die Bautätigkeit in der Region (Gemeinden) des Frankfurter Flughafens abnimmt und damit direkte negative Beschäftigungswirkungen zu beobachten sind. Darüber hinaus sind Abwanderungseffekte vor allem von hoch qualifizierten Arbeitskräften aus der Region zu erwarten, die nicht im unmittelbaren Bereich des Flughafens tätig sind. So berichtet die Mediationsgruppe zum Ausbau des Frankfurter Flughafens von Ergebnissen in der Literatur, dass Lärm durchaus einen signifikanten Einfluß auf Umzüge ausübt (Bericht der Mediationsgruppe, S. 54).

Wie in empirischen Untersuchungen hinreichend belegt, erhält die Umweltsituation bzw. Umweltbelastung als weicher Standortfaktor eine zunehmende Bedeutung. Weiche Standortfaktoren können mitentscheidend für Unternehmensansiedlungen sein und sind auf diese Weise auch beschäftigungsrelevant. So müßten neben den positiven Standorteffekten (Beschäftigungs- und Einkommenseffekte) auch die negativen Standorteffekte des Ausbaus des Frankfurter Flughafens in einer ausgewogenen Analyse berücksichtigt werden.

Eine weitere ökonomische Wirkung besteht darin, dass Gesundheitsschäden durch Lärm bzw. Luftverunreinigungen zu einer stärkeren Belastung des Gesundheitswesens führen können.

Letztlich trägt der Flugverkehr zum sogenannten anthropogenen Treibhauseffekt mit den damit verbundenen ökonomischen Effekten (z.B. Kosten durch Überschwemmungen, Ernteausfälle usw.) bei. Derartige ökonomische Wirkungen sind allerdings kaum in umfassender Weise quantifizierbar.

4.2 Methoden zur Messung ökonomischer Effekte von Umweltschädigungen

Im folgenden soll eine knappe Übersicht zu den wichtigsten Methoden gegeben werden, mit denen sich negative ökonomische Effekte von flugverkehrsbedingten Umweltschädigungen messen ließen. Eine eigene Abschätzung derartiger Effekte ist sehr aufwendig und kann im Rahmen dieser Stellungnahme nicht geleistet werden.

  1. Folgekostenansatz

Im Rahmen des sogenannten Folgekostenansatzes werden diejenigen Umweltschutzkosten (=negativer Nutzen) erfaßt, die bereits als Zahlungsstrom angefallen sind (z.B. Kosten von Schallschutzfenstern oder Arztkosten). Der Ansatz ist daher besonders praxis- bzw. anwendungsorientiert, da lediglich bereits bestehende monetäre Aggregate den entsprechenden Umweltbelastungen zugerechnet werden. Nachteil ist demzufolge, daß nur ein Teil des Nutzenentganges bestehender Umweltbelastungen erfaßt werden.

Der Folgekostenansatz wurde in der Literatur vor allem im Hinblick auf luftbelastungsbedingte Gesundheitsschäden angewandt (z.B. Erkrankung der Atmungsorgane von Kindern in der Region Hof).

b) Ermittlung der Zahlungsbereitschaft

Bei diesem Verfahren werden Befragungen durchgeführt, um die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für die Beseitigung von Umweltschäden zu ermitteln. Problem dieses Ansatzes ist jedoch, daß die Betroffenen bei externen Effekten und öffentlichen Gütern keinen Anreiz haben, ihre wahre Zahlungsbereitschaft zu offenbaren. Wenn die Befragten wissen, daß sie den von ihnen genannten Betrag auch tatsächlich entrichten müssen, haben sie einen großen Anreiz zu untertreiben. Im umgekehrten Fall besteht eine Tendenz, die Zahlungsbereitschaft zu übertreiben, um das eigene hohe Umweltbewußtsein zu dokumentieren. Für die Abschätzung bestimmter ökonomische Effekte wie etwa dem Verlust der Erholungsfunktion von Waldgebieten um Frankfurt müßte dennoch dieses Verfahren benutzt werden. Die übrigen hier beschriebenen Verfahren, die letztlich alle versuchen, Marktvorgänge entweder zu erfassen oder, falls nicht möglich, zu simulieren, sind in derartigen Fällen nur schwer anwendbar.

c) Hedonische Preise

Bei der Anwendung hedonischer Preise handelt es sich um eine indirekte Methode, bei der aus dem Verhalten Betroffener Rückschlüsse auf deren Zahlungsbereitschaft für Umweltgüter gezogen werden. Auf diese Weise kann das Problem der falschen Angabe von Zahlungsbereitschaften für die Beseitigung von Umweltschäden bei Befragungen vermieden werden.

Man geht davon aus, daß sich Zahlungsbereitschaften für Güter in verschiedene Gütereigenschaften zerlegen lassen (vgl. auch Feess (1998), S. 318). Z.B. hängt die Zahlungsbereitschaft für eine Wohnung von dem Alter des Gebäudes, der Wohnlage, der Größe der Wohnung oder auch des Wohnumfeldes (u.a. Umweltbelastung durch Fluglärm) ab. Der Nachfragepreis P(W) für eine Wohnung ist demnach eine Funktion der Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Merkmale Mi.

So kann die folgende hedonische Preisfunktion gebildet werden:

P(W) = P(M1, M2, ..., Mn)

Wenn man diese hedonische Preisfunktion nach einem der Merkmale – etwa der Umweltqualität – ableitet, dann erhält man theoretisch die marginale Zahlungsbereitschaft für dieses Merkmal. Die empirische Umsetzung des Konzeptes der hedonischen Preise läßt sich anhand regressionsanalytischer Methoden realisieren.

Die durch einen Ausbau des Frankfurter Flughafens induzierten ökonomischen Effekte von Umweltschädigungen ließen sich anhand einer Kombination der hier aufgeführten Bewertungsmethoden schätzen. Die Anwendung direkter Befragungsmethoden (siehe b)) sollte aufgrund der methodischen Schwächen dabei auf die Fälle beschränkt werden, die sich in keiner Weise am Markt niederschlagen bzw. für die auch keine Simulation eines Marktes möglich ist.

5. Zusammenfassende Beurteilung

Das Gutachten des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Universität Köln hat versucht, die Standorteffekte unterschiedlicher Ausbauszenarien des Frankfurter Flughafens bis zum Jahre 2015 zu quantifizieren. Die unsichere Ausgangsdatenbasis (niedrige Rücklaufquote bei der hierfür durchgeführten Unternehmensbefragung, Überforderung der Befragten durch einen langen Beobachtungszeitraum in Verbindung mit der Frage nach genauen Beschäftigtenzahlen) ist nach Meinung der Verfasser dieser Stellungnahme für eine exakte Prognose- und Szenarienbildung unzureichend und sollte nur für qualitative Aussagen verwendet werden.

Darüber hinaus hat das Gutachten wichtige weiche Standortfaktoren wie die Umweltqualität nicht berücksichtigt.

Das Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Bulwien und Partner/J.W. Goethe-Universität Frankfurt/Main/TU Darmstadt erfaßt im wesentlichen die von den auf dem Flughafengelände ansässigen Betrieben bzw. Unternehmen ausgehenden Einkommens- und Beschäftigungseffekte. Hierbei besteht die Gefahr eines Antwortbias, da diese Betriebe direkte, d.h. offensichtliche Vorteile an einem Ausbau des Frankfurter Flughafens und damit auch an positiven Gutachten haben. Dies kann zu einer Überschätzung der direkten Einkommens- und Beschäftigungseffekte führen.

Bei der Ermittlung der indirekten, durch Input-Output-Analysen berechneten gesamtwirtschaftlichen Effekte, werden in bezug auf die unterschiedlichen Szenarien vermutlich auch zu hohe Beschäftigungseffekte ausgewiesen, da nicht berücksichtigt wird, dass andere Regionen mit Regionalflughäfen (z.B. Nürnberg oder Saarbrücken) von einem Nicht-Ausbau des Frankfurter Flughafen profitieren könnten und damit dort positive Beschäftigungseffekte zu beobachten wären.

Ein weiterer Kritikpunkt an beiden Gutachten ist die Vernachlässigung ökonomischer Effekte von flughafenbedingten Umweltschäden. Es existieren zwar umfangreiche Gutachten zur zusätzlichen Emissions- und Umweltbelastung durch den Ausbau des Flughafens, allerdings wäre eine Quantifizierung der möglichen ökonomischen Effekte auf der Basis der in Abschnitt 4.2 dargestellten Methoden dringend notwendig. Somit wurden durch die Gutachten Bruttoeffekte hinsichtlich der Beschäftigungswirkungen ermittelt, welche die tatsächliche Entwicklung des regionalen Arbeitsmarktes nur verzerrt wiedergeben: Die Hälfte aller Arbeitsplätze verteilt sich im Ist- und Soll-Zustand über die gesamte Bundesrepublik. Die Nettoeffekte für das Land Hessen bzw. die Region Frankfurt wurden bisher nicht ermittelt. Somit kommt es bisher zu einer deutlichen Überschätzung der erwarteten Beschäftigungswirkungen. Hinzu kommen die großen Rationalisierungspotenziale die sich negativ auf die Beschäftigungswirkungen auswirken.

Literaturverzeichnis

Braden, J.; Kolstad, C. (1991): Measuring the Demand for Environmental Quality, Amsterdam

Feess, E. (1998): Umweltökonomie und Umweltpolitik, Verlag Vahlen, 2. Aufl., München 1998

Hanley, N.; Shogren, Jason F.; White, B. (1997): Environmental Economics in Theory and Practice, New York, Oxford

Horbach, J.; Junkernheinrich, M. (1994): Wachstum in den neuen Bundesländern: räumliche Entwicklungshemmnisse und –potentiale, in: Beihefte der Konjunkturpolitik, Heft 42, Berlin

Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Luftverkehr und Umwelt: Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung, Brüssel 1.12.1999 (KOM (1999) 640 endgültig)

Mediation Flughafen Frankfurt/Main (2000): Bericht – Vorabdruck für die Termine 31.1 und 1.2.2000, Frankfurt am Main

Öko-Institut e.V.: Bestandsdokumentation/Datenrecherche zum Thema Ö14 ("Ökologische Funktionen") und erster Beurteilungsansatz für einen Variantenvergleich, Darmstadt 10. Dezember 1999

Umweltbundesamt (1991): Die Nachfrage nach Umweltqualität in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin

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